: Walzen wollen Watt
■ Klöckner fährt wieder zwei Öfen – und verbraucht mehr als 1 Milliarde Kilowattstunden, ein Drittel des Bremer Stroms. Den Stadtwerken ist's recht
Eigentlich war er letztes Jahr mit großem Trara stillgelegt worden, der kleinere der beiden Hochöfen Klöckners. Seit Anfang diesen Jahres aber brodelt es wieder in ihm – mit Genehmigung der Europäischen Kommission bis Ende des Jahres. Auch für den weiteren Betrieb habe man Signale aus Brüssel bekommen, wenn denn an anderer Stelle des neuen Miteigentümers Sidmar Kapazitäten stillgelegt würden, berichtete jetzt Vorstandschef Hilker. Die Hütte hat gut zu tun. Seit der Stellenreduzierung von 6.000 auf 4.300 hat sie außerdem die produktivste Hüttenbelegschaft Deutschlands: Die Bremer Hütte braucht pro Tonne Stahl nur noch 1,8 „Mannstunden“, deutscher Durchschnitt sind 3-4 „Mannstunden“.
Spitze ist Klöckner aber nicht nur bei der Produktivität, sondern auch beim Stromverbrauch. Gierigste Stromfresser sind die Walzen im Warmwalzwerk. Sie plätten die Brammen, die rohen Stahlstränge. Dünnste Dicke: 1,5 Millimeter. Dabei verursachen die Walzen kurzzeitige Lastspitzen von bis zu 110 Megawatt... „Je breiter wir walzen, umso mehr Leistung brauchen wir“, erklärt Friedhelm Schröder, Betriebsleiter des 800 Meter langen Warmwalzwerkes.
Koks allein reicht auch dem Hochofen nicht: Sehr viel Strom verbraucht das Gebläse am Hochofen. Diese Maschine bläst pro Stunde 270.000 Kubikmeter erhitzte Luft in den Ofen. Damit wird dem Eisenerz Sauerstoff entzogen. Die Antriebe des Gebläses haben eine Leistung von 36 Megawatt.
Ein gleichmäßig hoher Verbrauch macht den Stadtwerken nicht zu schaffen, Spitzen allerdings müssen über das europäische Verbundnetz, zum Beispiel über die PreAG ausgeglichen werden. Dann muß die Hütte blechen, der Strom wird sofort erheblich teurer. Um solche Spitzen zu vermeiden, überwachen jeweils zwei Leute die Energiekurven der Hütte am Monitor. Gerät man in bedrohliche Höhen, wird im Warmwalzwerk automatisch die Tür blockiert, durch die sonst neue Brammen reinrollen.
Die Zweckehe zwischen Klöckner und den Stadtwerken währt nun bereits seit 40 Jahren. Die Bremer Hütte hat ja nicht wie andere Hütten eine eigene Kokerei auf dem Gelände stehen: Die Bremer Hütte war die einzige, die nach dem Krieg auf der grünen Wiese gebaut worden ist. Und den damals schon immensen Baukosten von 4 Milliarden wollte man nicht noch 500 Millionen für eine Kokerei hinzufügen. Seitdem kooperiert die Hütte mit der Ruhrkohle AG und den Stadtwerken. Klöckner nimmt den Stadtwerken ein Drittel des Stroms ab, man nähere sich gar 40 Prozent, hieß es am Dienstag. Zum Vergleich: Daimler verbraucht nur etwa 4 Prozent des in Bremen erzeugten Stroms.
Mit seiner Energie-Bilanz steht Klöckner derzeit nicht besonders gut da im deutschen Vergleich: Zwar erzeugt man mit der Verbrennung von Gichtgas, das im Hochofen anfällt, Strom für die Bundesbahn, aber nur wochentags. Am Wochenende fahren weniger Züge, das Gichtgas muß also abgefackelt werden. Ins Bremer Haushalts- oder Industrienetz kann man den überflüssigen Bundesbahn-Strom nicht einspeisen, da das Netz eine Frequenz von 50 Hertz braucht, der Bahnstrom aber in einer Frequenz von etwa 16 Hertz erzeugt wird. 1996 will Klöckner den deutschen Standard erreicht haben: Dann soll ein neu erbauter „Großumrichter“ den Bahnstrom in Drehstrom verwandeln können. Dann können andere Kraftwerke der Stadtwerke Kohle sparen und somit CO2-Emissionen vermieden werden. cis
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