: Walküren-Ritt der Gewalt
■ Das „Spotlight Asien“ auf dem Filmfest: Takashi Ishiis „The Black Angel“ und andere optische Schmuckstücke aus Japan
Ansehnlich schaut es aus, das „Spotlight Asien“. Während Hongkong seit der Übergabe an die Volksrepublik unter Abwanderung der Filmschaffenden leidet und sich seit einem Jahr eher mau ausnimmt, hat das zumindest hierzulande einem anderen ostasiatischen Kino genutzt, das lange im Verdacht stand, außer toten Altmeistern der filmischen Abstraktion und der Ästhetisierung von transgressivem Sex und Gewalt wenig zu bieten zu haben: dem japanischen Kino. Auf dem Filmfest präsentiert es sich mit dem charmant die Rituale des Schwertkampffilms persiflierenden Samurai Fiction von Hiroyuki Nakano, der sonst Videoclips für das Drum-&-Bass-Projekt Photek dreht. Der formal vielschichtige Swallowtail Butterfly hingegen mauserte sich allein über Vorab-Video zum Geheimtip und zeigt, daß die Kinetik des japanischen Underground-Kinos nicht nur MTV-Kompatibilität heißen muß.
Dann ist da natürlich auch noch Takashi Ishii, der erst in diesem Jahr mit Gonin hierzulande für Furore sorgte. Darin war es dem ehemaligen Manga-Künstler gelungen, zwischen Genre-Elementen des Yakuza-Thrillers genug sozialpsychologische Schmuggelware zu plazieren. Dieser Mehrwert jenseits des Spektakels delektierte sich nicht an den shoot-outs, sondern sprach präzise und beklemmend von der Gewalt, die über den Lebensverhältnis-sen liegt. Genau das zeichnet ja einen guten Gangsterfilm aus. Mit Gonin 2 führte er dieses Projekt als Frauenfilm fort, und auch hier fanden sich diese kleinen en passant angespülten Geschichten, die am Ende des Kugelhagels nachhallen.
The Black Angel ist genau daran ärmer, zu oft läuft seine cut- und close-up-verliebte Kinematographie klischeehaft hohl oder verliert sich in effekt-orientierten Hongkong-Schlock. Dabei hätte seine Geschichte genug melodramatisches Potential. Ishii konzentriert sich wieder auf Tokyos verregnete Unterwelt und drei Frauen innerhalb der patriarchalen Ökonomie der Mafia. Die kleine Ikko, illegitime Tochter eines Yakuza-Bosses, wird bei einem Attentat von einer Killerin namens „Black Angel“ gerettet und nach L.A. in Sicherheit gebracht. 14 Jahre später kehrt sie zurück, um ihre familiäre Identität zu suchen. Doch alles kommt anders: Die Frau, deren nom-de-guerre sie auf ihrem Wallküren-Ritt der Gewalt annimmt, ist längst Junkie. Wenn sich Ikko durch den Sumpf der Intrigen schlägt, gelingen Ishii wenige faszinierende Momente, die meistens zwischen seinen drei Protagonistinnen spielen. Der Rest ertrinkt zwischen Strumpfnähten im blauen Licht einer vergangenen Dekade.
Tobias Nagl
„Swallowtail Butterfly“: morgen, 19 Uhr, Cinemaxx; Mittwoch, 19 Uhr, Abaton. „The Black Angel“: Mittwoch, 21.30 Uhr, Zeise
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