: Waldeslust am Keyboard
■ Morgen im Modernes: Düsterer Synthiepop von „Wolfsheim“
Eine Welt voller nebeliger Wälder erscheint dem Hörer im Geiste, wenn die Musik von „Wolfsheim“ erklingt. Das Elektronik-Duo bietet seit Jahren Düsterpop der besseren Sorte. Hübsch verspielte Details finden sich da zwischen dem üblichen Gewaber; sogar ein wenig groovy sind die melancholischen Hamburger geworden. Morgen gibt das Duo seine dunklen Balladen live im „Modernes“.
Einen langen, sehr, sehr traurigen Weg sind Peter Heppner (Gesang) und Markus Reinhardt (Instrumente) gemeinsam gegangen. Als sie sich als Duo Ende der 80er unter dem schwülstigen Namen Wolfsheim zusammenfanden, waren ihre Augen unter dem Kajalstift kaum zu erkennen und man seufzte schmachtend voller Teenager-Traurigkeit zu Ein-Finger-Keyboards. „The Sparrows and the Nightingales“, das Debüt von 1991, war trotz des Independenthit-Status kaum mehr als solider, melancholischer Synthie-Pop, der seine Eintrittskarte in die Plattenwelt einer Bekanntschaft verdankte: Yello-Gründer Carlos Peron nahm die Wolfsheimer unter seine Fittiche. Mit dieser Rückendeckung haben sie nun zu einer erfreulichen Reife gefunden.
Der Grundton der Synthie-Tüftler ist immer noch in Moll gehalten. Ansonsten aber haben die Hamburger an Popappeal gewonnen. Wolfsheim erarbeiten sich Songs,die auch auf der Akustikklampfe und ohne Hall funktionieren und wagen es sogar – für Düsterbands absolut ungewöhnlich – ein wenig zu grooven, ohne gleich die Industrial-Keule zu schwingen.
Auffällig ist die Sorgfalt beim Soundgebastel. Die opulenten Melodien entwickeln sich nicht bloß auf dem synthethischen Geigenteppich. Es blubbert und knurrt unter der Oberfläche, so daß das mehrmalige Hören lohnt. Der elektronische Biß ist da, und mit dem läßt sich Wolfsheim trotz aller Eingängigkeit von Discomüll wie Culture Beat abgrenzen, so wie Tangerine Dream und Boney M. nicht in eine Schublade gehörten. L.R.
Morgen um 20 Uhr im Modernes
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