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Wahlrecht für EU-Bürger

■ Bremer Bürgerschaft soll ab 1999 auch von EU-AusländerInnen mitgewählt werden

7.000 der gut 60.000 AusländerInnen in der Stadt Bremen können damit rechnen, bei der übernächsten Bürgerschaftswahl im Jahr 1999 das volle aktive und passive Wahlrecht für die Bürgerschaft zu bekommen. Davon zumindest geht der Staatsrat für Justiz, Michael Göbel, in einer Stellungnahme aus, die der Senat am letzten Dienstag beraten hat. Nach dem 1991 auf Antrag der CDU vor dem Staatsgerichtshof gescheiterten passiven Beirats-Wahlrecht für AusländerInnen wäre dies der zweite Versuch, BremerInnen fremder Paßfarben Zugang zu demokratischen Rechten zu verschaffen.

Göbel beruft sich bei seiner Prognose auf den gerade fertiggestellten Entwurf der EG-Kommission, der das EU-weite kommunale Wahlrecht für alle BürgerInnen der Union ab 1.1.1996 festschreibt. Von den insgesamt 1,3 Millionen zur Zeit in Deutschland betroffenen EU-BürgerInnen mit ausländischem Paß leben rund 7.000 in Bremen.

Der Sonderfall des Bremer Zwei-Städte-Landes ist in den Regelungen des Entwurfs der EG-Kommission allerdings bisher ausdrücklich ausgespart worden. Während für die Stadtstaaten Berlin und Hamburg ausdrücklich deren „Bezirke“ als „kommunale“ Ebene genannt sind, fehlt eine entsprechende Zuordnung für das kleinste Bundesland.

Der Grund: Während es in Bremerhaven mit der Stadtverordnetenversammlung ein „kommunales“ Parlament gibt, für das das kommunale EU-Wahlrecht angewendet werden kann, ist der Fall in der Stadt Bremen kompliziert: Hier wird die Stadtbürgerschaft nicht getrennt gewählt. Ihre 80 Abgeordneten sind gleichzeitig Abgeordnete des Landtags und sind damit direkter Teil der staatlichen Legislative. Über die Bremer Vertretung im Bundesrat und in der Bundesversammlung mischen sie sogar direkt auf nationalen Ebene mit. Ein nationalstaatliches AusländerInnen-Wahlrecht hat die EG-Kommission allerdings gerade nicht im Sinn gehabt, zudem verstößt es nach herrschender deutscher Rechtssprechung auch gegen das Grundgesetz.

Da es sich die EU sicherlich nicht leisten könne, Bremen als einzigen weißen Fleck aus dem neuen kommunalen AusländerInnen-Wahlrecht auszuklammern, blieben nur zwei Möglichkeiten, folgert Göbel: „Es ist zu fragen, ob die deutschen Interessen stärker dadurch betroffen werden, daß Bremen genötigt wird, seine staatsrechtliche Struktur aufzugeben, oder dadurch, daß in diesem Stadtstaat Unionsbürger aus anderen Mitgliedsstaaten auch an den Wahlen auf staatlicher Ebene teilhaben.“ Entscheiden müsse dies letztlich die EG-Kommission, so Göbel, angemessen sei im Sinne des Brüsseler „Subsidiaritätsprinzips“ allerdings nur die zweite Möglichkeit. Schließlich würde das kommunale AusländerInnen-Wahlrecht auch in anderen EU-Ländern, zum Beispiel in Frankreich, zur Beteiligung an der staatlichen Ebene führen.

Gefordert sei nun eine Klarstellung der EG-Kommission, ob sich das kommunale AusländerInnen-Wahlrecht in Bremen tatsächlich auf die Bürgerschaft beziehen soll. Göbel: „Wir müssen versuchen, unseren bescheidenen Einfluß geltende zu machen.“ Käme es zu einer solchen Klarstellung im EG-Gesetz nicht, sei in Bremen auf jeden Fall mit einer Anfechtung der Bürgerschaftswahl 1999 zu rechnen – „entweder durch einen EU-Bürger, dem wir in Bremen keinerlei Wahlrecht einräumen würden, oder aber durch die CDU, die das deutsche Grundgesetz verletzt sähe“, so Göbel. Ase

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