: Wahlkampfzeiten
■ Die "New York Times" behauptet, Bush wolle den Irak erneut angreifen
Wahlkampfzeiten Die „New York Times“ behauptet, Bush wolle den Irak erneut angreifen
Mit kriegerisch geballter Faust und eisiger Miene stellte sich George Bush am Wochenende der US-Presse. Hatte ihm doch die renommierte New York Times unterstellt, er wolle eine neuerliche militärische Konfrontation mit seinem Erzfeind Saddam Hussein provozieren, allein um sein bei den US-Wählern arg angeschlagenes Ansehen aufzupolieren. 17 Prozentpunkte und mehr hechelt er seit Wochen hinter seinem demokratischen Konkurrenten Bill Clinton hinterher, den nach den jüngsten Meinungsumfragen 52 Prozent der Amerikaner im Weißem Haus sehen wollen. Wer könnte dem Präsidenten angesichts einer solchen Talfahrt verdenken, daß er sich jetzt wehmütig an die Zeiten des Golfkriegs erinnert, als ihm die Landsleute sein entschlossenes Auftreten gegen den „Hitler von Bagdad“ mit Ratings um die 90 Prozent dankten?
Gestützt auf ungenannte Quellen in der US-Regierung behauptet die New York Times, es sei kein Zufall, daß Bush es gerade in dieser Woche, in der ihm der Parteitag der Republikaner in Houston einen perfekten Rahmen für kriegerische Reden gebe, auf einen Konflikt mit dem Irak ankommen lasse. Der Präsident gab sich empört. Doch hatte er nicht erst vor kurzem in einem Interview zum besten gegeben, daß er „alles tun werde, um wiedergewählt zu werden“. Und hat er denn in seiner bisherigen Karriere nicht schon bewiesen, daß er in seinen Positionen „flexibel“ sein kann, wenn es politisch opportun ist?
Seine Entrüstung über die „New York Times“ nimmt ihm hier keiner mehr ab, selbst wenn sie nicht gespielt war. Mit innenpolitischen Motiven — dem Wahlkampf etwa — beteuerte Bush, habe es nichts zu tun, wenn demnächst Luftangriffe auf den Irak geflogen würden. Saddam Hussein habe seine Karten ausgereizt, seine Spielchen mit den Vereinten Nationen würden künftig nicht mehr toleriert. Erst im Juli hatte der irakische Diktator die UN-Inspektoren drei Wochen lang an der Nase herumgeführt. Daß militärische Drohungen damals nicht schon umgesetzt wurden, wird jetzt damit begründet, daß die internationale Koalition sich nicht einig gewesen sei.
Jetzt soll das anders sein. Und obwohl die UN- Kontrolleure heute ihre Inspektion von irakischen Waffenarsenalen und -programmen ohne die prophezeite Konfrontation abgeschlossen haben, steht die US-Luftwaffe im Nahen Osten immer noch Gewehr bei Fuß. Bushs Chance, sich als erfolgreicher Feldherr zu bewähren, ist nicht verloren. Jetzt, so schreibt die New York Times am Montag, sei die Einrichtung einer Sicherheitszone im Süden des Irak geplant. Die schiitischen Widerstandskämpfer sollen vor Angriffen von Saddams Truppen geschützt werden — im Zweifel auch mit Waffengewalt. Martina Sprengel
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