piwik no script img

Wagner-Titel

Groß war der Einstand: „Deutschland NEU“ titelte die B.Z. – und erläuterte: „Türken werden Deutsche. Atomkraft aus. Eine Bundespräsidentin. Fußball schlecht wie nie“ – dazu Bilder von drei Gartenzwergen, das Gesicht vom Extrainer der Fußballelf, jeweils hineinmontiert. Das ist lange her, am 16. Oktober 1998 war’s, und da war Franz-Josef Wagner ziemlicher frischer Chefredakteur der B.Z. und Gerhard Schröder fast noch frischerer (B.Z.-lesender) Bundeskanzler. Es folgten furiose Titel, die in der Regel so sexistisch, dumpf, witzig und originell waren, dass sie sogar die spärliche Höhle eines taz-Redakteurs schmückten. Wagner war einfach Kult, zumindest bei Journalisten. Wagner, das war Rock ’n’ Roll: sex and drugs und laut. 2000 jedoch sank der Stern des großen Franz-Josef so schnell wie die Auflage der B.Z. Da halfen auch keine latent fremdenfeindlichen Aussagen mehr oder seltene Sternstunden („Pandabärin unfruchtbar – Aber Schumi zweites Baby“). Wagner griff daneben und merkte nicht, dass sein vielleicht genialer letzter Tiefschlag: „Franzi van Speck“, vor allem aber seine anschließende Quasi-Entschuldigung („nur aus enttäuschter Liebe heraus geschrieben“) alles nur noch schlimmer machten. So musste er denn gehen. Seitdem ist Schluss mit Kult, und die B.Z.-Titel sind einfach nur noch unverständlich: „In welche Wurst können wir noch beißen, von welcher Mund weg?“ ... Versuchen Sie nicht, es zu verstehen. Es hat keinen Sinn. Wagner fehlt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen