: Wagenburg kurz vor dem Aus
■ Die Innenverwaltung will die Wagenburg an der East Side Gallery "zeitnah" räumen lassen. Ein abgelegenes Stadtgut in Weißensee ist als Ersatz vorgesehen
Die Tage der Rollheimer an der East Side Gallery sind offenbar endgültig gezählt. „Es besteht die realistische Möglichkeit, die Wagenburg zeitnah aufzulösen“, erklärte Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) gestern im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses. Die 170 Menschen, die in Last- und Bauwagen auf dem vermüllten Gelände östlich der Spree kampieren, sollen auf ein Ersatzgrundstück in Weißensee umziehen. Dabei handelte es sich um ein am äußersten Rande des Bezirkes gelegenes, ehemaliges Berliner Stadtgut, sagte Gesundheitsstaatssekretärin Verena Butalikakis (CDU) gestern.
Butalikakis ist Vorsitzende einer Arbeitsgruppe von Staatssekretären, die vom Senat mit der Suche nach einem Ersatzgrundstück beauftragt worden ist. Nach der Berliner Linie kann eine Wagenburg nur geräumt werden, wenn den Bewohnern zuvor ein Ersatzgelände oder Wohnraum angeboten worden ist.
Darüber, daß die Wagenburg an der Spree beseitigt werden soll, besteht im Senat schon lange Einvernehmen. Die Suche nach einem von allen Beteiligten akzeptierten Ersatzgrundstück gestaltete sich jedoch sehr schwierig. In den vergangenen zwei Jahren seien 25 Grundstücke für geeignet befunden worden, deren Anmietung aber jedesmal am Widerstand der Bezirke gescheitert sei, so Butalikakis gestern.
Auch Weißensee hat offenbar noch kein grünes Licht gegeben. Butalikakis hält dies jedoch für kein Hindernis. Notfalls könne der Senat den Bezirk anweisen, die Rollheimer „wegen der gesamtstädtischen Bedeutung des Problems“ auf dem Gelände des Stadtguts zu beherbergen, so die Gesundheitsstaatssekretärin.
Eine Umfrage unter Bewohnern der East Side Gallery habe aber ergeben, daß nur hundert Rollheimer mit ihren Wagen umziehen wollten. Dreißig Leute würden „gern“ das Angebot des Bezirks wahrnehmen und in eine Wohnung oder ein Heim in Friedrichshain ziehen. Weitere 25 Bewohner seien britische Staatsbürger und wollten sich im Fall einer Auflösung der Wagenburg aus Berlin „fortbewegen“.
Das Thema „Belästigung der Innenstadt durch die Wagenburg“ war gestern von dem CDU-Abgeordneten Dieter Hapel auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt worden. Er behauptete, die Rollheimer würden „tonnenweise Fäkalien in die Spree einleiten“. Der eigens zu diesem Thema geladene Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Peter Strieder (SPD), ließ den CDUler ganz kühl abblitzen. Wasserpolizei und Fischereiamt hätten keinerlei Verunreinigung der Spree oder des Grundwassers durch die Rollheimer festgestellt. Die Wagenburg sei ein sozialpolitisches Problem, belehrte Strieder den CDU-Abgeordneten Hapel: „Für Sie soll die Umwelt- und Müllproblematik doch nur ein Vehikel für die Räumung sein.“ Plutonia Plarre
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