: Währungsunion: Die Rechnung ist ohne Pleiten gemacht
■ Die bisher vereinbarten Eckwerte für die deutsch-deutsche Währungsunion stoßen auf ein deutsch-deutsch geteiltes Echo. Während die DDR-Minister Walter Romberg und Markus Meckel soziale Nachbesserungen im Staatsvertrag für unverzichtbar halten und Gewerkschaftssprecher den neuen Umtauschkurs als „Etikettenschwindel“ attackieren, lehnt die Bundesregierung weitere Zugeständnisse ab. So oder so werden viele DDR-Betriebe in die Pleite getrieben.
Zwei Seelen müssen dieser Tage, ach, in seiner Brust wohnen: In Sachen Währungsunion als Sonderberater bei Bundeskanzler Helmut Kohl auf der Gehaltsliste, muß Hans Tietmeyer in Optimismus machen. Als Direktoriumsmitglied der Deutschen Bundesbank ist er in skeptischer gesinnter Umgebung tätig.
Die Einzelheiten der Währungsunion nehmen konkretere Formen an, die Frage der Mach- und Zahlbarkeit wird immer verworrener. Bei der Vorstellung der jetzt amtlichen Pläne für die einzelnen Umstellungskurse meinte Tietmeyer am Mittwoch, die auf den öffentlichen Haushalt zukommenden Ausgleichsforderungen würden bei dem Kraftakt 21 bis 22 Milliarden DM nicht übersteigen. Die Notwendigkeit dieser Kompensationsposten ergeben sich aus der Zusammenstreichung der laufenden Kreditaußenstände der DDR-Staatsbank - der Halbierung der Betriebsschulden - und der weitgehenden 1:1 -Umstellung der Sparguthaben.
Bei der Deutschen Bundesbank in Frankfurt sehen die Experten, von zunehmender Angst um die Stabilität der DM beschlichen, schwärzer. Der Grund: Die Bundesregierung will zwar den Ausgleich für die Schuldenhalbierung der DDR -Betriebe übernehmen. Ob die aber überhaupt die andere Hälfte bezahlen können, wird bei der desolaten Lage der DDR -Wirtschaft immer unwahrscheinlicher. „Ich weiß gar nicht, wie die von der Rückzahlbarkeit auch nur der halben Betriebsschulden in DM ausgehen können“, meint ein Bundesbankexperte. Ihn ärgert besonders, daß die fordernd auftretenden DDR-Bürger völlig außer acht ließen, daß sie selbst auch künftig als Steuerzahler für die Ausgleichsforderungen aufkommen müßten.
In der Tat: Auch Regierungskollege Klaus Töpfer hat Pläne in der Schublade, nach denen allein im Raum Leipzig und Halle rund 400 Chemie-Betriebe dicht machen sollen. Schätzungen belaufen sich darauf, daß 90 Prozent dieser Problembranche im Markt nicht bestehen und dementsprechend auch keinen D-Pfennig an Schulden bezahlen könnte. Beim Maschinenbau, der Elektroindustrie und der Landwirtschaft sieht es kaum besser aus.
Der Ausgleich dafür, daß durch die Halbierung der betrieblichen Schulden (abzüglich ihrer Guthaben 212 Milliarden Mark) bei der Staatsbank eine Deckungslücke für die 1:1-Guthaben entsteht, mag zwar aus der Sicht Bonns großzügig erscheinen. Die faktische Macht der Unrentabilität wird aber erheblich mehr Großzügigkeit erzwingen. Der Streit zwischen den beiden Rechtsnachfolgern der Staatsbank der DDR - der heute als Zentralbank tätigen „Staatsbank“ und der im kommerziellen Bereich tätigen „Kreditbank“ -, wer denn die restlichen Betriebskredite übernehmen solle, deutet auf gesunde Skepsis hin. Die Deutsche Bank will von all den faulen Krediten jedenfalls nichts wissen. Sie will nicht nach den großen Pleitewellen in Verhandlungen mit der Bundesregierung um weitere Ausgleichsforderungen eintreten.
Die Bundesregierung wird nicht darum herum kommen, so daß man sich schon jetzt die gestrigen Versprechungen von Bundeswirtschaftminister Helmut Haussmann genau merken sollte: im kommenden Jahr keine Mehrwertsteuererhöhungen und sowieso keine Steuererhöhung zur Finanzierung der Währungsunion.
Wenn Tietmeyer meint, bis zur Wiedervereinigung müsse die DDR für die Ausgleichsforderungen aufkommen, so ist das Augenwischerei. Die DDR könnte dies ohne Kredite nicht bewerkstelligen. Die darf sie laut Staatsvertrag nicht ohne Genehmigung des Bonner Finanzministers aufnehmen. Und der muß im Gegenzug dafür bürgen und sich im Zweifel selbst verschulden. Wer mag, darf jetzt schon eine Klageschrift für's Bundesverfassungsgericht entwerfen. Die Bonner Neukreditaufnahme darf laut Grundgesetz nicht größer sein als die Neuinvestitionen. Den Ausgleich für den Konkurs eines ganzen Landes als Investition zu verkaufen, wäre immerhin eine interessante Interpretation.
Ulli Kulke
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