: Vulkan ohne Alpen
Heute betreut Greg Poss erstmals die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft. Der Amerikaner soll die Aufbauarbeit von Vorgänger Hans Zach fortsetzen. So nett toben wie der kann er schon
AUS KÖLN CHRISTIANE MITATSELIS
Mit seiner Brille und der hübsch gescheitelten Frisur wirkt Greg Poss auf den ersten Blick wie ein smarter Bursche von einem US-College. Ein jungenhafter Typ eben, brav, richtig lieb sieht der Eishockey-Trainer aus New Orleans aus. Poss spricht sehr gut Deutsch, wenn auch mit charmantem Ami-Akzent, und er ist immer freundlich. Doch der Eindruck ändert sich jäh, sobald Poss seine Arbeit an der Bande aufnimmt. Dort mutiert er zum Heißsporn, läuft regelmäßig rot an, wütet, schreit und staucht seine Spieler zusammen.
„Eishockey ist mein Leben“, sagt der 39-Jährige – und man glaubt es ihm gern. Seine Passion kann er nun regelmäßig in doppelter Funktion ausleben. Anfang Oktober trat Greg Poss, Coach des Del-Klubs Nürnberg Ice Tigers, die Nachfolge von Hans Zach als Eishockey-Bundestrainer an. Am heutigen Mittwoch gibt er beim Deutschland Cup in der Hamburger Color Line Arena sein Debüt an der deutschen Bande. Was für ein Zufall: Gegner der deutschen Mannschaft ist: das Team USA. Schon am Wochenende folgen in Hannover Spiele gegen die Schweiz (Freitag, 19.15 Uhr), Slowakei (Samstag, 14.30 Uhr) und Kanada (Sonntag, 14.15 Uhr).
Greg Poss wirkt vor dem Spiel gegen sein Heimland ernsthaft aufgeregt. „Das ist etwas Besonderes für mich“, sagt er. Zum einen ist der Gegner stark, die USA treten mit etlichen Spielern aus der zurzeit wegen des Arbeitskampfes ruhenden NHL an. Zum anderen trifft Poss auf allerlei gute Bekannte, schließlich war er bei der Weltmeisterschaft in Tschechien im Frühjahr noch Co-Trainer der USA. Den aktuellen Coach des US-Teams, Tony Granato, lernte er schon vor 20 Jahren kennen. „Wir haben in den 80er-Jahren an der Universität Wisconsin zusammengespielt“, erzählt Poss. Danach machten die beiden freilich ganz unterschiedliche Karrieren: Während Granato als Stürmer in der NHL reüssierte, erlitt Poss eine schwere Knieverletzung und wurde schon mit 26 Jahren Trainer.
Nach Deutschland brachten ihn eher Zufälle: Vor zehn Jahren kam Poss nach Sonthofen, um dort Verwandte zu besuchen. In der Zeitung las er, dass der ortsansässige Verein einen Trainer suchte. Poss wurde engagiert und die Dinge nahmen ihren Lauf. Über Stationen in Timmendorf, wo er seine deutsche Frau kennen lernte, und Iserlohn kam er zum Del-Klub Nürnberg Ice Tigers, den er noch bis zum Ende der laufenden Saison trainieren wird. Und als Zach, der nach der WM in Tschechien für sein defensives Spielsystem kritisiert worden war, im Mai schmollend zurücktrat, kam Poss zu seinem neuen Posten.
Für Zachs Nachfolge zeichnete sich der US-Amerikaner vor allem durch sein Talent aus, mit jungen deutschen Spielern zu arbeiten. Zudem hat der Coach bewiesen, dass er aus wenig viel machen kann. Eine ganz wichtige Voraussetzung für den neuen Job, denn das deutsche Eishockey ist weiterhin kein Tummelplatz für Hochbegabte. Poss tendiert trotzdem, ähnlich wie sein Amerika-geschädigter Fußball-Kollege Jürgen Klinsmann, zum chronischen „Positive Thinking“. Während Zach in den sechs Jahren seiner Amtszeit die technischen und läuferischen Defizite der deutschen Profis durch ein taktisch diszipliniertes Defensiv-System auszugleichen versuchte, will Poss voll attackieren. Er will der Auswahl ein attraktiveres, offensives Spielsystem beibringen, das Team soll mehr Mut zum Risiko zeigen
„Die deutschen Spieler sind so weit, diese Verantwortung zu übernehmen und auch das Spiel zu machen. Es gibt viele gute junge Spieler, die Hoffnung machen. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, hätte ich diesen Job nicht übernommen. Das ist meine Eishockey-Philosophie“, sagte er kurz nach seinem Amtsantritt in einem Interview des Kölner Stadt-Anzeigers. Ganz so mutig klingen seine Worte jetzt, kurz vor der Premiere, jedoch nicht mehr. Er lasse schon offensiver spielen, sagt er. Im Prinzip seien die Unterschiede aber gar nicht so groß: „Hans Zach arbeitet wie ich mit kampf- und laufstarken Spielern.“ So sieht das auch Franz Reindl, Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes: „Wir haben Poss verpflichtet, weil wir auf Kontinuität setzen, und nicht weil wir etwas ändern wollen.“
In Sachen Temperament kann Poss mühelos mit seinem Vorgänger, dem Tölzer Alpenvulkan, konkurrieren. Vor viereinhalb Jahren lieferte sich Poss als Iserlohner Trainer ein zünftiges Handgemenge mit seinem Ingolstädter Kollegen Jim Boni, der ihn bespuckt haben soll. Drei Polizisten mussten einschreiten, um den Streit zu schlichten. Dem wütenden Poss legten sie Handschellen an. So etwas hat selbst Zach nie geschafft.