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Voscherau will Hamburgs Karren ziehen

■ Der frühere Hamburger SPD–Fraktionsvorsitzende hat sich gestern bereiterklärt, neuer Bürgermeister der Hansestadt zu werden / Voscherau knüpft die Amtsübernahme an interne „Strukturreform“ der SPD

Aus Hamburg Kai Fabig

Die Personaldiskussion um die Nachfolge Dohnanyis im Amt des Ersten Bürgermeisters von Hamburg ist beendet. Aus seinem Sylter Kurzurlaub hat Henning Voscherau verlauten lassen, daß er bereit sei, den Karren zu ziehen, „wenn der Karren es will“. Damit dürfte klar sein, wen der SPD– Sonderparteitag am 3.Juni zum Kandidaten kürt. Wenn die Partei Henning Voscherau will - und sei es nur, weil keine Alternative in Sicht ist. Mittlerweile bleibt es nicht mehr beim Lob der politischen Qualitäten des 46jährigen Notars, der bis zum vergangenen Jahr die SPD–Fraktion in der Bürgerschaft führte. Eva Leithäuser, stellvertretende SPD–Landesvorsitzende und ehemalige Justizsenatorin, hat ihn jetzt als Erste auch offiziell vorge schlagen und der SPD–Fraktionschef Paul Busse ist nachgezogen. Interessant ist nun, welche Bedingungen Voscherau an die Übernahme dieses Amtes knüpft. Er selbst sagt dazu nichts, weil es „um eine interne Strukturdebatte der SPD geht, die wir auch intern führen. Damit ist die Richtung allerdings eindeutig vorgegeben. Es geht nicht darum, ob der eine oder andere Senator gehen muß - auch wenn dies zur Zeit heiß diskutiert wird - sondern darum, welches Mitspracherecht die Parteibasis in Zukunft bei der Besetzung von SPD–Senatsposten noch haben wird. Dohnanyi hatte beklagt, daß Hamburgs Erster Bürgermeister nur „Erster unter Gleichen“ sei und nicht wie die Ministerpräsidenten der Flächenstaaten mit Richtilinienkompetenz ausgestattet ist. Voscherau weiß allerdings, daß eine Verfassungsänderung in diese Richtung nicht durchzusetzen ist. Deshalb kann es ihm „nur“ um eine Richtlinienkompetenz innerhalb der eigenen Partei gehen. Konkret hieße das: Der Parteitag beschließt nicht mehr über jeden einzelnen von der SPD zu besetzenden Senatorenposten, sondern nur noch über ein vom Bürgermeister vorzuschlagendendes Paket. Dies würde die Struktur der SPD tatsächlich verändern und die Regierungspolitik nachhaltig beeinflussen; denn damit würden zum einen die Flügelkämpfe innerhalb der SPD erheblich eingedämmt, da immer gleich der SPD–Teil der Regierung zur Disposition stünde, zum anderen müßte sich ein zukünftiger SPD–Bürgermeister nicht mehr mit der Blockade– Politik eine vom gegnerischen Flügel durchgesetzten Senators herumschlagen. Voscheraus Chancen, diese „Strukturreform“ durchzusetzen, stehen ausgesprochen gut, da es der Partei an jeglicher Allternative mangelt. Hinzu kommt, daß der Macher–Typ Schmidtschen Zuschnitts (er selbst begreift sich als letzten Vertreter des Schmidt– Flügels innerhalb ber Hamburger SPD) es geschafft hat, sein stramm rechtes Image zu revidieren. Anläßlich des „Hamburger Kessels“ trat er als erster SPD–Politiker für eine „rückhaltlose Aufklärung“ ein. Durch seinen Rückzug vom Fraktionsvorsitz ist es ihm zudem gelungen, sich in der turbulenten jüngsten Vergangenheit aus den parteiinternen Streitereien herauszuhalten. Von politischer Bedeutsamkeit über den Tag hinaus wird also sein, zu welchem Abschluß die SPD–Strukturdebatte am 3.Juni kommt und nicht wieviele Senatoren die Bürgerscahft am 8.Juni neu wählt. Der Fraktionsvorsitzende des Koalitonspartners FDP, Frank– Michael Wiegand, versicherte Voscherau die Unterstützung seiner Partei. „Falls die SPD–Fraktion Henning Voscherau nominieren wird, wird meine Fraktion ihn geschlossen in der Bürgerschaft in den Senat wählen.“

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