Vorwürfe gegen Polizei Magdeburg: Antisemitismus, ganz normal

Eine gesamte Dienststelle der Polizei Sachsen-Anhalt soll Antisemitismus toleriert und verbreitet haben. Die Landespolitik zieht erste Konsequenzen.

Innenminister Stahlknecht mit einer Polizistin mit Hund.

Bei der Einweihung einer neuen Zwingeranlage der Polizei Sachsen-Anhalt: Innenminister Stahlknecht Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

LEIPZIG/ BERLIN taz | In der gesamten Magdeburger Dienststelle der Bereitschaftspolizei soll es seit den 1990er Jahren üblich und gängige Praxis sein, den Betreiber der dortigen Kantine als „Juden“ zu bezeichnen. Das gab der sachsen-anhaltische Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Montag bekannt.

Die Fälle wurden aufgrund einer anonymen E-Mail bekannt, die am vergangenen Freitag – dem Jahrestag des antisemitischen und rassistischen Terroranschlags in Halle – bei der Polizeidienststelle Burgenlandkreis eingegangen war. In dieser beschuldigte der:die Absender:in, die „komplette Dienststelle“ habe den Umstand gekannt und „nichts zur Unterbindung“ getan. „Dieser institutionelle Antisemitismus muss aufhören“, heißt es im Schreiben.

Die Vorwürfe seien unverzüglich untersucht worden und hätten sich bestätigt, so Stahlknecht. Er sei „betroffen, erschrocken, wütend und erschüttert“ ob der Vorfälle. Noch vorige Woche stand der Innenminister selbst in der Kritik, nachdem er gesagt hatte, die Polizeikräfte, die jüdische Einrichtungen in Sachsen-Anhalt bewachten, würden anderswo fehlen.

Der Zentralrat der Juden warf ihm vor, Antisemitismus zu befördern, und legte ihm den Rücktritt nah. Auch Max Privorozki, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, sagte, über Stahlknechts Aussage sei er „wirklich erschrocken“.

Ähnlicher Fall in der Bundeswehr

Stahlknecht selbst wies die Verantwortung von sich und sagte auf einer Pressekonferenz lediglich, es tue ihm leid, wenn er missverstanden worden sei. Die Polizeipräsenz zum Schutz jüdischer Einrichtungen habe „oberste Priorität“.

Nun sieht sich der Innenminister zum Handeln gezwungen: Eine Sonderkommission soll den Fall in der Magdeburger Polizei genauer untersuchen. Laut Stahlknecht soll Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, die Untersuchung leiten. Aus internen Kreisen wurde jedoch dementiert, dass es hierzu bereits feste Absprachen gebe. Es sei lediglich über eine Anfrage und Überlegungen gesprochen worden.

Montag wäre als Experte nicht unerfahren: Er leitete bereits die Sonderermittlungen im Fall Oury Jalloh und sitzt derzeit als Experte in der Kommission zur Aufarbeitung der Rechtsextremismus-Vorfälle in der hessischen Polizei.

Über die Ermittlungen im konkreten Fall Magdeburg hinaus versucht das Landesinnenministerium weitere Konsequenzen zu ziehen. So soll der Verfassungsschützer Stefan Damke zukünftig den neu geschaffenen Posten eines Extremismusbeauftragten einnehmen und eine Beschwerdestelle einrichten. Außerdem sollen externe Ex­pert:innen die Verbreitung von Antisemitismus und Rassismus in der Landespolizei untersuchen.

Eine ähnliche Studie hatte bereits der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) auf den Weg gegeben. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnte es bislang ab, solche Untersuchungen auf Bundesebene durchzuführen. Er behauptete, in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern gebe es „kein strukturelles Problem“. Christiane Bergmann, Abteilungsleiterin für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium Sachsen-Anhalt, betonte im Hinblick auf den jüngsten Fall in Magdeburg hingegen: „Man kann nicht von Einzelfällen sprechen.“

Ein ähnlicher Fall war Anfang des Jahres aus der Bundeswehr bekannt geworden: Der Wehrbeauftragte des Bundestags berichtete in seinem Jahresbericht von einer Unteroffizierin, die einen Kantinenpächter wegen angeblich überhöhter Preise als „richtigen Juden“ bezeichnete. Sie erhielt ein Disziplinarverfahren, der Ausgang ist nicht bekannt.

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