ausgehen und rumstehen : Vorübergehende Nachtblindheit während der Afterhour. Uff!
mit einbruch der dunkelheit hatte sybille die afterhour endlich gefunden. beiläufiges kommen und gehen wies ihr den weg in den richtigen hauseingang über den hof ins quergebäude des verwaisten hauses zu einer tür im dritten stock. schnell schlüpfte sie hinein und stolperte, vorübergehend nachtblind, ohne orientierung umher. erst als raiko sie entdeckte und in beschlag nahm, war sie soweit anwesend, dass sie gesichter ausmachen konnte. soso, da hinten saß sören mit anette! raikos nachtleben-kumpel jo drängte ihr ein gespräch auf: „…weiß ja nicht wie lange du schon in der stadt bist! mein erster sommer, waren wir vielleicht runtergefeiert! immer tresor, pflichttermin! freitags startschuss bei sebastian und los in die technoferien… panorama bar, im ostgut damals, in der mühlenstraße, und dann ging das durch bis montag, endlich ins SO36, electric ballroom bis dienstag mittag… danach in der schönhauser chillen bei bine in der wg, voll verstrahlt vom balkon aus weintrauben und teebeutel in die cabrios an der ampel geworfen, so rund waren wir! weiß ja nicht wie lange du schon in der stadt bist…“
uff! ab und zu warf sybille den kopf in den nacken, als müsste sie lachen, zwinkerte jo zu und tat darüber hinaus amüsiert und charmant, während sie lasziv an ihrem bier nippte. sie ignorierte sören geflissentlich, kontrollierte nur aus dem augenwinkel seine anwesenheit. als er sich in bewegung setzte, trat sie schnell beiseite ins halbdunkel, ließ jo stehen und folgte sören behende und mit einigem abstand. im hof hörte sie schritte aus dem seitenflügel. vorsichtig schob sie die tür auf und tastete sich am geländer entlang aufwärts. über ihr schlug eine tür. hab ich dich! ganz oben waren zwei eingänge vernagelt, gab also nur eine möglichkeit. sie drückte die klinke hinunter …
und – o weh – man verzichtete gänzlich auf lästiges Vorgeplänkel und tat erst gar nicht so, als sei Romantik eine galante Begleitung mit guten Manieren, nein – nein!? – jetzt mach schon! – ja, kaum eine Klamotte wurde mehr als gerade mal weit genug verrückt – es wurde positioniert und lose an die Wand gestützt in Fahrt gebracht und in Fahrt gekommen, aufgesprungen und unerbittlich abgehoben – man überging und verfing sich und klatschte und schmatzte eine vibrierende Hymne auf die profane Raserei, ja, man hatte sich und hatte alles und man hatte keine Augen für die immer noch in der Tür Verharrende, die da stand und nicht wusste, die da stand und nicht, die da stand mit der Klinke in der Hand – verharrt, verscharrt – kann ein Herz bluten? Kann es verbrennen? Nein, mein kind – aber es kann so tun, als ob!
und sie, eben noch verfolgerin, stürzte treppab, fiel und fiel und riss sich ein loch in die hose, während oben sören mit… jede marode stufe keuchte: anette, anette… ausgerechnet anette! die hatte sich vorgeschlichen, seiner ankunft geharrt. und sybille fiel weiter, taumelte abwärts. statisten und randfiguren ertrinken immer zuerst.OLAF DAHMKE FEAT. PIOTR ZYLINSKI
Dieser Text ist Folge 11 von Olaf Dahmkes Blog „Sybille – Der Berliner Groschenroman“, zu lesen bei MySpace