: Vorstellungen
■ betr.: „Freikörper-Kultur- Kampf“, taz vom 22./23. 7. 95
[...] Ihr habt sehr oft wirklich gute Fotos, Bilder, die lebhaft Gefühle und Eindrücke vermitteln. Aber es häufen sich seit geraumer Zeit Bilder wie dieses. Mit diesen Abbildungen von gestyltem Körpersex, die zumeist wohl nur bei Männern lustvolle Vorstellungen hervorrufen dürften? Natürlich, ihr schreibt nicht drunter, daß ihr das toll findet, aber wie bemerkt Frau Vinken im Interview so treffend: „Ich glaube gar nicht ... daß man geht und das nachmacht. Nur die Vorstellung ändert sich.“
[...] Wenn ich fast nur sexuelle Vorstellungen offeriert bekomme, die immer nur von Menschen handeln, die mit den hier heute herrschenden Idealen vom Aussehen übereinstimmen, kann sich sehr wohl der Gedanke festsetzen, daß man, sofern man diesen Idealen nicht entspricht, nicht begehrenswert und nur zu „minderwertigem“ Sex fähig ist.
Wenn ich immer wieder gezeigt bekomme, daß Sex ausschließlich aus orgasmusfixierten Handlungen besteht und nicht auch aus Zärtlichkeit, Spiel und Nähe, werde ich „im Bett“ gegebenenfalls nicht auf die Idee kommen, meineN PartnerIn danach zu fragen beziehungsweise mir Menschen zu suchen, die auf diese Bedürfnisse eingehen. Und last not least: Wenn auf fast allen Bildern, die ich aufnehme, Frauen zu sehen sind, die Männer befriedigen oder Männer, die sich an Frauen befriedigen oder Frauen, die sich dem Betrachter anbieten, aber selten mal eine Szene, wo mann seine eigene Geilheit zurückstellt und sich den Bedürfnissen der Frau widmet, schleicht sich da vielleicht nicht ins Hirn eine gewisse Bereitschaft, solcherlei Ungleichgewicht im Alltagsleben als gegeben und unabänderlich hinzunehmen?
Ihr müßt damit leben, daß es noch immer „Unbelehrbare“ gibt, die an Euch einen anderen Anspruch haben, als an den Rest der Medien in dieser Größenordnung. Ich erwarte nach wie vor von Euch die Darstellung anderer Seiten der Realität, als derjenigen, die ich mir andernorts tagtäglich zigfach reinziehen kann und muß. [...] S. Hennemuth, Kassel
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