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SanssouciVorschlag

■ Bonnie Tyler im Tempodrom

Bonnie Tyler Foto: Agentur D + Q

Mein Elektriker ist Bonnie-Tyler-Fan. Seine Frau und deren Schwester ebenfalls. Summend und pfeifend kostet er jeden ihrer Titel aus. Dabei fällt ihm das strähnchenblondierte Langhaar rhythmisch ins Gesicht. Traurig erzählt er, daß er keine Karte mehr für das Berliner Konzert bekommen hat.

Anlaß für den mehr als zehn Konzerte umfassenden Deutschland-Tournee-Streß ist die Promotion des neuesten Tyler-Albums Angel Heart, bei dessen Produktion der einschlägig bekannte Dieter Bohlen hörbar geholfen hat. Als „gesucht und gefunden“ könnte man diese Zusammenarbeit interpretieren, denn zweifellos hat Bohlen einen Riecher für geistig und musikalisch anspruchslose Ohrwürmer. Die Tyler liefert dazu die stets im Trend des Musikgeschmacks liegende, kratzige und dadurch verrucht wirkende Stimme, die sich Bohlen zeit seines Bühnendaseins vergeblich aufzudrücken versuchte.

„Powerstimme“ nennt man das wohl, und dieser Stimme verdankt die ehemalige Supermarktkassiererin Gaynor Hopkins Sullivan ihre Karriere. Mancher Kritiker konnte bei allem Verriß nicht leugnen, daß die Tyler singen kann, Hauptangriffspunkt blieb dagegen ihr Blondinchenimage. Wahr ist wohl, daß die Tyler, nachdem sie durch etliche Nachtclubs von Wales tingelte und einen Gesangswettbewerb gewann, eine rechte Bilderbuchkarriere startete. Sie traf auf erfolgreiche Produzenten und mußte sich nicht, wie viele andere erfolgreiche Stars, von einer Bandauflösung zur nächsten hangeln. Mag sein, daß sie deshalb außer ihrer Stimme nichts zu ihrem Profil hinzugefügt hat und sich heute, mit 42 Jahren, immer noch in der typischen Blondinchenpose, rockladylike auf einem Motorrad sitzend, ablichten läßt.

Diese Pose will so gar nicht zu den deutlich sichtbaren Falten auf Gesicht und Händen passen. Gibt es denn so gar keine Alternative für die Präsentation von (Rock-)Stars als das ständige Strapazieren der mit den Jahren zwangsläufig zur Fassade werdenden Attribute von Jugend, Dynamik und Schönheit? Es mag ja ein Zeichen für Fitneß sein, wenn man mit über 50 noch die Stilettoabsätze wuchtig in den Bühnenboden stampft, doch entbehrt die indirekte Vorgabe, möglichst eine Generation jünger zu erscheinen, jeglichen Sinns für Realität.

Aber so viel steht fest: Bonnie Tyler ist dank Ausdauer und guter Beherrschung bewährter Stilmittel und Ausdrucksformen in über 16 Jahren zu einer festen Größe in der Musikszene geworden. Man kann ihr zutrauen, daß der Auftritt im Tempodrom eher den krönenden Abschluß denn den müden Abgesang ihrer Tournee bilden wird. Uta Falck

Heute um 20 Uhr im Tempodrom, John-Foster-Dulles-Allee

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