Sanssouci: Vorschlag
■ „Bulšitfilm“-Abend im Tschechischen Zentrum
Die Avantgarde der Moderne steht Pate für den jungen tschechischen Film. Insbesondere Duchamp, Magritte, Buñuel und nicht zuletzt der Landsmann Kafka stehen hoch im Kurs bei der Gruppe „Bulšitfilm“, die heute abend im Tschechischen Zentrum einen kleinen Ein- und Überblick geben will über die tschechische Kunstfilm-Szene der letzten Jahre. Hinter dem Namen „Bulšitfilm“ verbirgt sich ein professionelles Team von jungen tschechischen Filmemachern, das sich 1983 um den Regisseur Pavel Marek gebildet hat und seitdem gemeinsam Filme dreht.
Allem Abgesang auf die moderne Kunst zum Trotz, werden in den Bulšitfilmen ihre Klassiker nochmals in Stellung gebracht: anspielungsreiche und skurrile Filme, in denen die Motive der Moderne noch längst kein Schnee von gestern sind. „Geburtstag im Park“ und „Erziehung zur Angst“ sind zwei lakonische Kurzfilme, die ein Thema aufgreifen, das schon die Initiatoren der Moderne immer wieder durchgespielt haben: die Illusion der Bewegung. Im Film beruht sie auf einer simplen Überlistung des Auges, das bei 24 Bildern pro Sekunde dem Trick der laufenden Bilder verfällt. Manipulationen an der Laufgeschwindigkeit des Zelluloidstreifens sind die filmische Antwort auf die Bewegungs- Zerlegungs-Experimente in der modernen Kunst.
Experimentiert wird mit dem Streifen in den Bulšitfilmen auf Teufel komm raus. Ihre Bilder laufen nicht, sondern stolpern. Vereinzelt eingesetzte Trickfilmtechnik macht aus Menschen fahrendes Kinderspielzeug. Der Effekt ist wie schon bei Duchamp eine abgründige Ironie, die beiden gilt: dem Mensch und der Maschine. Surrealistisch ist das Szenario der Gegenstände. Ein Schubkarren saust durch die Stadt, auf dem Pflasterstrand tanzt eine Gruppe aufrechter Spaten, und auf den Bergen fährt ein Paar Schuhe einsam Ski. Auch die Ekeltoleranz der ZuschauerInnen wird getestet: In „Der tote Wald“, dem vielfach preisgekrönten und aufwendigsten der fünf ausgewählten Bulšitfilme, düst ein scheißender Staubsauger quer durch ein Arrangement vornehmer Herren, die unschwer erkennbar die klassischen Männerfiguren aus den Bildern von Magritte zitieren.
Hinter allen fünf Filmen steht unverkennbar Jan Švankmajer, der große tschechische Animationsfilmer, bei dem die jungen Künstler in die Schule gingen. Daher werden auch zwei neuere Filme des alten Lehrmeisters auf dem Bulšitfilm-Abend zu sehen sein. Erstmals seit dem Prager Frühling, so viel steht fest, blüht der tschechische Film wieder. Andrea Kern
„Der tote Wald“ Foto: Veranstalter
Bulšitfilm-Abend, heute, 20 Uhr, im Tschechischen Zentrum, Leipziger Straße 60, Mitte.
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