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SanssouciVorschlag

■ Schloß in Trümmern – Ausstellung im Schloß Charlottenburg

Alle reden vom Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, das, zwar schwer lädiert, aber doch rettbar, erst Ende der fünfziger Jahre zu realsozialistischen Zwecken gesprengt wurde. Mit einer Fotoausstellung im Mittelbau erinnert nun das Charlottenburger Schloß, das heute, in freundlichem Gelb restauriert, allerlei Aufgaben des kulturellen und politischen Lebens erfüllt, an seine Zerstörung und seinen Wiederaufbau. Im November 1943 wurde es bei den ersten großen Luftangriffen der Engländer auf Berlin schwer beschädigt, viele der Räume mit historischem Inventar brannten aus, und die darin untergebrachten Kunstsammlungen wurden teilweise vollständig vernichtet.

Große Orangerie, Mittelbau 1945 Abb.: Katalog

Die Atmosphäre in den Ausstellungsräumen, die man über das herrschaftliche Treppenhaus erreicht, ist irritierend: An den drei Wandseiten hängen Fotografien des Schlosses in Trümmern, darunter auch Luftaufnahmen, die englische Jagdflieger machten. Die Fensterfront wirkt wie eine vierte Ausstellungswand: Hinter Glas sieht man, in seltsamem Kontrast zu den Aufnahmen, den Schloßpark unberührt daliegen. Die detaillierten Ansichten des stark zerstörten Schlosses, wurden zum Teil noch während des Krieges zu Rekonstruktionszwecken aufgenommen. Die Totalität der Zerstörung wirkt suggestiv. In den gediegenen Räumen wird ihr Ausmaß wieder präsent. An den Wänden über den Fotografien sind Fragmente von Stuck, Friesen und Kapitellen angebracht, die auf den ursprünglichen Ort verweisen. In Vitrinen stehen beschädigte Vasen und gesprungene Teller aus dem ehemaligen Porzellankabinett. Hier findet sich auch ein dicker, kleiner marmorner Arm. Die Beschriftung verrät, daß er zu einem bogenspannenden Amor gehörte, lapidar ergänzt um die Information: „mit Schmauchspuren“.

Die Ausstellung ist auffällig wenig betextet, man setzt ganz auf die Wirkung der Exponate. Im letzten Raum sind Dokumente wie zum Beispiel Baugutachten ausgestellt. In einer der Vitrinen findet sich ein überraschendes Einzelstück: Eine weiße Kappe mit rotem Kreuz liegt wie ein Fremdkörper zwischen diesen kulturhistorischen Schätzen. „Schwesternhaube einer Rotkreuz- Schwesternhelferin, getragen von Frau Ilse Weidmüller während ihrer Einsätze als Schwesternhelferin in der Luftschutzhauptvertretungsstelle Schloß Charlottenburg 1941–45.“ Da liegt sie, einfach so. Ganz ohne Schmauchspuren. Caroline Roeder

Bis 30.1., Di.–Fr. 9.–17 Uhr, Sa/So 10–17 Uhr, Schloß Charlottenburg. Der Katalog kostet 20 DM.

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