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SanssouciVorschlag

■ Van Goghs Ohr als Brosche – das DHM zeigt Kitsch und Kunst aus den Museumsshops der Welt

„Sorry, Mona Lisa“ steht auf der Schachtel mit den Kondomen. Das Bild darüber zeigt statt der Lächelschönheit nichts als Männerleiber: Gott erschafft Adam, Michelangelos berühmtes Fresko aus der Sixtinischen Kapelle. Nur daß des Schöpfers Hand ein Präservativ überreicht und wir uns selbst ausdenken können, wofür die Jungs es brauchen. Sex, Kunst und Kitsch, dazu eine gute Prise Klamauk: Nach diesem Rezept ist die Ausstellung zusammengemixt, die am Donnerstag im Deutschen Historischen Museum eröffnet wurde. Vielversprechender Titel: „Die Warenwunder tut die Madonna erst im Museum.“

Virtuelle Objekte nennt Bazon Brock die Andenken und Talismane, die er aus Museumsshops in aller Welt mitgebracht hat. Zu sehen sind Kultgegenstände, die weder „echte Kunst“ sind noch reine Gebrauchsgegenstände. Madonnen im Schneesturm, Goethe in der Pralinenschachtel, van Goghs Ohr als Brosche. Was kulturbeflissene Museumspilger als wertlosen Kommerz verachten – für den wortgewaltigen Ästhetikprofi können sie „die Kommunikation in extremem Maße befördern“. Ein Spiel mit Erinnerungen, ein Trip ins Reich der Phantasie und durch die Abgründe des Aberglaubens.

Aufblasbar: „Der Schrei“ von Edvard Munch Foto: Rolf Schulten

Knöchlein von Heiligen und Fetzen aus dem Mantel Jesu – schon im Mittelalter ließen Souvenirjäger keine Gelegenheit aus, wundersame Kraftspender nach Hause zu tragen. Sieben Kirchen mußten fromme Rom-Pilger abklappern, für jede Etappe gab's ein buntes Bildchen. Noch kostbarer waren die Gebeine von Märtyrern, die im Altar versenkt oder an die Gläubigen verhökert wurden. Gingen die Reliquien zur Neige, dann brachten die Mönche schon mal Hundeknochen unters Volk. Guten Umsatz garantierten auch die Blechbeinchen, die fußlahmen Pilgern in Padua angedreht wurden. Geweihter Ramsch gegen Schmerz und Leid – aus der Vitrine grüßt der Voodookult.

Was kopiert ist und gemogelt, womöglich eine Fälschung der Fälschung, den Kulturfreaks kann's egal sein. Der Tanz ums Wahre, Gute, Schöne – einfach lächerlich. Das haben uns doch schon die Dadaisten erklärt. Und Keith Haring, der sein verstrahltes Baby gleich tonnenweise vermarktete.

Kostbar, so lernen wir in der Ausstellung, werden die Dinge nur durch unsere Gedankenarbeit. Und warum jeder Mensch ein Künstler ist, wird spätestens klar, wenn wir Kasimir Malewitsch' schwarzes Quadrat als Puzzle legen dürfen. Oder beim Nachdruck von „Flecken großer Künstler“, das Set gibt es mit acht Stempeln und beflecktem Taschentuch im Karton. Leider nur zum Anschauen. Denn die wahren Abenteuer, die sind bekanntlich im Kopf.

Fragt sich nur, was das alles mit dem aufgesägten Oberkörper aus dem Anatomieunterricht zu tun hat. Ein virtuelles Objekt aus der Halbwelt zwischen Körper und Geist? Keine Frage, auch Knochentelefone und Gehirnkappen haben ihren Charme. Ziemlich schrill auch der aufblasbare „Schrei“ von Edvard Munch, neben dem eine vollgepumpte Pornopuppe den Plastikmund aufreißt. Oder das Arsch-Schwanz-Beine-breit-Besteck. Vielleicht ein Stück aus der Abteilung „Andenken als Gemütsvibratoren“?

Ganz und gar unsinnlich sind allerdings die Porzellanfiguren von Bismarck nebst Schäferhund. Sie seien im Foyer zu kaufen, läßt die Museumsleitung ausrichten. Ein unwürdiger Zustand, daß Aussteller sich zunehmend aus dem Plunderhandel finanzieren müssen? Dann doch lieber „echte Kunst“? Am besten selbst antesten. Constanze v. Bullion

„Die Warenwunder tut Madonna erst im Museum“, bis 14. 4., Deutsches Historisches Museum, Unter den Linden 2

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