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SanssouciVorschlag

■ Deutsche Geschichte auf gelben Putzschwämmen im Tacheles

Seit Tagen nicht gespült? Ewig nicht gewischt? Dann ab ins Tacheles. Da zeigt Svenja Hehner Putzhilfen in Übergrößen: sieben riesige Spülschwämme – die gelben Dinger mit der grünen Kratzseite – hat sie mit historischen Fotos bedruckt. Dazu sind im Soundtrack Schrubbgeräusche von Claus Quidde zu hören. „Schwamm drüber – etwas soll vergessen sein. Verwischte Spuren deutscher Reinlichkeit“, heißt ihre Ausstellung.

Für Svenja Hehner ist Kunst immer Konflikt mit dem Gewöhnlichen, Ausbruch aus dem Einerlei. Früher waren die Malereien der Kreuzbergerin mit quietschbunten Tieren und blumenäugigen Teddys bevölkert. Da jagten sich Wortspiele und verdrehte Sprüche, stapften Fabelwesen durch eine verkehrte Welt. Witzig sind ihre Objekte noch heute, doch den Besuchern wird das Lachen im Hals stecken bleiben: Ein Verbrennungsofen aus dem KZ Ravensbrück oder das Asylantenheim von Solingen, Hausbesetzer neben Joseph Beuys, die Symbole rechter Ideologie und linker Utopie sind als Siebdrucke auf überdimensionalen Schwämmen zu sehen. Sie erinnern an unbequeme Personen und Ereignisse, an Etappen deutscher Geschichte, die verdrängt, aus dem Gedächtnis getilgt, weggeputzt wurden.

„Ortsbezogene Kunst“ ist die Schwamm-Schau für Bettina Hertrampf, Kunstorganisatorin im Tacheles. Das krisenerprobte Kulturhaus mit der verwitterten Kunstfestung unterm Dach bietet Svenja Hehners Streifzug durch die Geschichte eine authentische Kulisse. Kurz nach der Jahrhundertwende erbaut, wurde das jüdische Kaufhaus 1928 von der AEG zum „Haus der Technik“ umgerüstet, nach 1933 nistete sich die SS ein, zu DDR-Zeiten residierte hier der FDGB. „Seit sechs Jahren sind wir hier am putzen“, erzählt Bettina Hertrampf. „Korrekt“ ist für die Vorstandsfrau übrigens nicht nur die Bildsprache der Künstlerin, sondern auch die Tatsache, daß die Mega-Schwämme von einer bekannten Putzmittelfirma gesponsert wurden. Sie kamen aus Spanien nach Berlin. Constanze v. Bullion

Bis 21. 4., Mi.–Fr., 16–22 Uhr, Sa., So. 14–22 Uhr, Tacheles, Oranienburgerstraße 54–56, Mitte

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