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■ Zum 80. Geburtstag: Fred Thieler in der Galerie Georg Nothelfer

Nicht eben viele Künstler gibt es, die weit über die Grenzen ihrer Wirkungsstätte hinaus gekannt und geschätzt werden. Unverständlich, daß Berlin und seine Institutionen den 80. Geburtstag von Fred Thieler nicht zum Anlaß nahmen, Werk und Person zu ehren: nicht nur den Maler, auch den erfolgreichen Hochschullehrer, der Künstler unterschiedlichster Richtungen gefördert hat und als Nestor der Westberliner Nachkriegsmalerei gelten kann, und den Stifter eines Kunstpreises, der zudem bedeutende Kulturämter innehatte. So ist die ihn vertretende Galerie Georg Nothelfer in die Bresche gesprungen. Aus einem Strauß anekdotisch-poetischer wie auch gezeichneter Gratulationen von Kollegen, Museumsleitern, Kunstkritikern und Sammlern stellte sie ein ungewöhnliches Katalogbuch zusammen und gibt in ihren Räumen einen konzentrierten Überblick über Thielers Werk. Einsetzend mit der Farbkreidezeichnung „Walchensee“ von 1949, die den in Königsberg geborenen Künstler als Corinth-Schüler ausweist, reicht der Bogen bis zur farbglühenden Großleinwand „Mit diagonalem Rot“ von 1992.

Seine Malerei habe etwas Amerikanisches, Louis Armstrong würde so gemalt haben, meinte einst der Malerkritiker Hans Platschek – keine zufällige Beobachtung, denn die Vitalität des Action Painting und die hochgemut swingende Pracht der Jazztrompete finden in Thielers Leinwänden ein Echo. Es ist eine motorische, aus dem Körper entwickelte Kunst. Über nervöse Spachtelzickzacks, wie im Informel beliebt, fand der Künstler zu seiner unverwechselbaren Technik des Farbausgießens über die auf dem Boden ausgelegte Leinwand. Unter die „Dünnmaler“ zählte ihn deshalb Manfred de la Motte: Materialwertigkeit, von collagierten Papierfetzen abgesehen, tritt zurück zugunsten farbiger Leuchtflächen von kosmischer Energie.

Aller Aktionsästhetik und den ihr entsprießenden Zufällen zum Trotz beruht Thielers Malerei auf konzentriertem Auswählen und Abwägen, ist es eine kultivierte und gebändigte, über alle Wechselfälle künstlerischer Konjunkturen und Diskurse hinaus lebendige, erfinderische Malerei. Verwandtschaft von Makro- und Mikrokosmos, von Chaos und Ordnung wird suggeriert, lange bevor diese Beziehungen das wissenschaftliche Denken beschäftigten. Seine bevorzugt in Blau und/oder Rot gefaßten, ins Weite wie ins Innere führenden „sphärischen Ereignisse“ vollbringen die wunderbare Balance – oder Symbiose – zwischen heftigsten, geradezu tosenden Farbwirbeln und einem schwebenden, meditativen Entrücktsein.

Michael Nungesser

Bis 11. Mai, Di.–Fr. 14–18.30, Sa. 10–14 Uhr, Galerie Georg Nothelfer, Uhlandstraße 184, Charlottenburg. Katalog 40 DM

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