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■ Vorschlag„Ariadne“ – im Labyrinth im Großen Speicher

Schier gar nichts ist zu erkennen im ersten Augenblick, wenn man aus der heißen Sommersonne in den Wasserspeicher tritt. Dann bittet der Conférencier mit einladender Geste zum Gang durch das Labyrinth, in dem das Regiegespann Peer Göring und Friederike von Krosigk den Mythos von Minotaurus aufrollt. „Ariadne im Labyrinth“ – inszeniert in einem Raum, der seine eigene Geschichte mitbringt. Ein Fischlager, von den Nazis als „wildes“ KZ benutzt und wie kaum ein Ort geeignet für das „bewegte Klang-Spiel-Theater“.

Wie Blitzlichter erhellen die einzelnen Szenen die bedrückende Finsternis. Männerchoräle, Stimmen, die aus dem Dunkel auftauchen, sich verlieren, Schattenrisse an den gebogenen Wänden und neben den Worten des Textes sehr viel Bewegung. Die Inszenierung nutzt die Qualitäten, die der Raum bietet: „Uns geht es auch darum, das abgespaltene Potential des Raumes wiederzubeleben“, erklärt Peer Göring, der außer der Regie auch noch die Rolle des Theseus spielt. „Die persönliche Auseinandersetzung mit eigenen Machtstrukturen hat mich gereizt“, bekennt er sich zu seiner Motivation. „In der Geschichte geht es grundlegend um persönliche Spaltung, die sich in gesellschaftlicher Spaltung fortsetzt.“

In der Geschichte von Nikoline F. Kruse wird die ursprüngliche Geschichte bereits vorausgesetzt: Der Kretische König Minos bittet die Götter als Zeichen für seine Macht um einen Stier, der aus dem Meer ersteht. Weil er ihn nicht – wie abgemacht – opfert, lassen die Götter zur Strafe seine Gemahlin Pasiphe in Leidenschaft zu dem Stier entflammen. Daraus entsteht der Minotaurus, ein Ungeheuer, halb Mensch, halb Tier, für den der Hofarchitekt Daidalos ein Labyrinth baut. In ihrer Fassung hat Kruse Ariadne in den Mittelpunkt der Geschichte gerückt, die Königstochter, die sich entschließt, dem dunklen, abgespaltenen Geheimnis ihrer Familie auf die Spur zu kommen und die Wahrheit ans Tageslicht zu befördern. Dafür ist eine neue Begegnung zwischen den Geschlechtern Voraussetzung: Nur gemeinsam gelingt Theseus und Ariadne der Weg durchs Labyrinth. Caroline Vongries

Heute, Großer Wasserspeicher, Belforter Straße, Prenzlauer Berg

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