Vorschlag der Wirtschaftsweisen: Spitzenidee

Die Regierung verschwendet Milliarden, indem sie auch Reiche beglückt, erkennen die Wirtschaftsweisen. Ein Wandel kann trotz FDP stattfinden.

Christian Lindner und die Figur die Maus.

Frag die Maus … äh die Wirtschaftsweisen. Christian Lindner beim Tag der offenen Tür im Finanzministerium Foto: Christophe Gateau/dpa

Die Wirtschaftsweisen veröffentlichen ihren neuen Bericht erst an diesem Mittwoch, doch schon vorab sorgt er für medialen Trubel. Denn die fünf ÖkonomInnen stellen eine Forderung auf, die man nie von ihnen erwartet hätte: Sie wollen die Reichen höher besteuern.

Bemerkenswert ist auch, dass sich die fünf komplett einig sind. Die Ukrainekrise hat auch die Ökonomen verändert.

Der Bericht stellt zwei zentrale Fragen: Wer wird von der Krise besonders getroffen? Und wie kann der Staat am besten helfen? Die Analyse der Ökonomen ist eindeutig. Die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise belasten vor allem die Armen, denn sie sind gezwungen, ihr gesamtes Geld für die absoluten Grundbedürfnisse auszugeben. Die Reichen hingegen können große Teile ihres Einkommens sparen und spüren die steigenden Preise nicht so deutlich. Trotzdem wurden die Reichen staatlich begünstigt: Sie profitierten vom „Tankrabatt“, der sich bei großen Autos besonders lohnte – und sie werden dank der Gaspreisbremse ihre Villen kostengünstig heizen können.

Es ist nicht trivial, dass die Regierung Milliarden verschwendet, indem sie auch die Reichen beglückt. Denn der Staat ist am Limit. Er kann Schulden aufnehmen, aber nicht grenzenlos. Also ist es vernünftig, die Spitzenverdiener an den Krisenlasten zu beteiligen.

Allerdings ist es in Deutschland nicht einfach, Steuern zu erhöhen. Fast immer muss der Bundesrat zustimmen. Die Union hat im Bundesrat jedoch eine Vetomacht, was sie derzeit nutzt, um die Hartz-IV-Reform zu torpedieren. Auch in der Regierung selbst sitzen Blockierer: Im Wahlprogramm der FDP stand ausdrücklich, dass sie die Steuerlast der Reichen senken will.

Trotzdem könnte es sein, dass Liberale und Union eine Steuererhöhung für die Reichen nicht blockieren können. Entscheidend ist, wie die Umfragen zu dem Thema ausfallen. Wenn eine breite Mehrheit Gerechtigkeit fordert, springt dieses Gefühl auch auf die Reichen über. Denn sie leben ja nicht auf einer Insel, sondern sind Teil der Gesellschaft – und ihrer Stimmungen. Das zeigt die Vergangenheit: Unter Helmut Kohl lag der Spitzensteuersatz in den 80er Jahren lange bei stolzen 56 Prozent, und niemand wäre auf die Idee gekommen, den CDU-Kanzler als „Sozialisten“ zu beschimpfen.

Die Wirtschaftsweisen sind optimistisch, dass die Ukrainekrise nicht ewig währt. Daher sollen die Reichen die erhöhten Steuersätze nur bis Frühjahr 2024 zahlen. Diese Frist ist bedauerlich. Auch in normalen Zeiten gibt es Aufgaben, für die noch Geld fehlt – zum Beispiel in der Pflege.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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