Vordenker Strache und die FPÖ: Staatsstragend mit Professorenbrille
Während die ÖVP als Neue Volkspartei nach rechts gerückt ist, hat sich der FPÖ-Kandidat im Wahlkampf als moderat präsentiert.
Aber, wie Strache in einer ersten Reaktion feststellte: „Fast 60 Prozent haben das FPÖ-Programm gewählt“. Denn Sebastian Kurz hat sein Anti-Flüchtlings- und Anti-Zuwanderer-Programm weitgehend von der FPÖ abgeschrieben. Noch nie war die strukturelle rechte Mehrheit in Österreich so deutlich.
Während die ÖVP als Neue Volkspartei nach rechts gerückt ist, hat sich die FPÖ im Wahlkampf als moderater präsentiert. Statt plumper Reime im Stil von „Daham statt Islam“ oder „Willst du eine Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen“, plakatierten die Parteistrategen Heinz-Christian Strache ganz staatstragend als Vordenker.
Neuerdings ausgestattet mit einer Professorenbrille spielt der kurzsichtige Parteichef den Nachdenklichen und versucht nicht mehr, mit Schnappatmung noch mehr Botschaft in einen Satz zu stopfen. Sein wildes Partyleben hat der inzwischen 48-jährige heruntergefahren. Solides Eheleben statt Abfeiern auf Ibiza. Seiner Lebensgefährtin Philippa steckte er in katholischer Zeremonie den Ehering an.
Dass der Wahlkampf zwischen SPÖ und ÖVP vor allem in der letzten Phase in eine regelrechte Schlammschlacht ausartete, konnte er als lachender Dritter beobachten und mit Sorgenfalten vor ernstem Schaden für die Demokratie warnen.
Straches Wandlung
Vom monothematischen Trommler hat sich Strache zu einem breiter aufgestellten Politiker gewandelt, dem neben Schikanen für Zuwanderer und Flüchtlinge auch die Existenzängste der kleinen Leute ein Anliegen sind. So setzte sich für eine Mindestpension von 1.200 Euro für alle, die 40 Jahre Arbeitsleben hinter sich haben, ein.
Die bei vielen Kleinunternehmern unpopuläre Zwangsmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer will er ebenso abschaffen, wie die Beiträge der Arbeitnehmer für die Arbeiterkammer. Wer erinnert sich noch, dass sich der „Vordenker“ vor 30 Jahren noch mit Neonazis herumtrieb?
Kleine Gemeinderäte, die mit Hitler-Devotionalien erwischt wurden, verstieß er aus der Partei. Den Abgeordneten Johannes Hübner, der in einer Rede den Schöpfer der österreichischen Verfassung mit antisemitischem Hohn verunglimpfte, strich er von der Kandidatenliste. Mit Norbert Hofer, der sich bei den Präsidentschaftswahlen im Vorjahr nur knapp dem Grünen Alexander Van der Bellen geschlagen geben musste, verfügt die FPÖ jetzt über einen zweiten herzeigbaren Mandatar. Er wird voraussichtlich im Präsidium des Nationalrats bleiben oder durch ein Ministeramt höhere Weihen erlangen.
Dass bei einer Umfrage 42 Prozent der ÖVP-Wähler und immerhin 20 Prozent der Sozialdemokraten den Spitzenkandidaten als wichtigstes Motiv für ihre Wahlentscheidung genannt haben, muss Strache zu denken geben. Denn nur fünf Prozent seiner Wähler sahen die Strahlkraft des Vordenkers als Hauptmotiv. Viele von denen, die sich gerne an einer Führerfigur orientieren, sind also zu Sebastian Kurz übergelaufen.
Wie moderat die FPÖ tatsächlich geworden ist, wird man sehen, wenn sie – wie abzusehen – mit Kurz in die Regierung geht. Das Reservoir an herzeigbarem Personal ist noch geringer, als der Vorrat an fachlich qualifizierten Kräften, die sich bei der Verteilung von Ministerposten empfehlen können. In sämtlichen Gremien der FPÖ dominieren die deutschnationalen Burschenschafter, die in ihren Statuten noch den Arierparagraphen haben, Frauen als netten Aufputz betrachten und sich um die „Umvolkung“ der Gesellschaft sorgen.
Auch der immer so moderat auftretende Norbert Hofer ist Autor extremistischer Schriften und wollte partout nicht einsehen, was am Tragen eines Kornblumen-Ansteckers, dem einstigen Erkennungszeichen der illegalen Nazis, anstößig sein sollte. Auf Österreich kommen also „interessante Zeiten“ zu, wie die Chinesen sagen würden. Und das ist nicht unbedingt eine Empfehlung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste