: Vorbildlich zur Ader gelassen
Um das Volk zum Nachmachen anzuregen, spendeten gestern im Rathaus einige seiner VertreterInnen halbliterweise Blut ■ Von Judith Weber
HamburgerInnen behalten ihr Blut gern bei sich. Während Niedersachsen und Schleswig-HolsteinerInnen gutmütig teilen und jährlich 10.000 Liter in die Hansestadt verkaufen, fließt Hamburger Blut fast ausschließlich in Hamburger Adern. Nur zwei Prozent der Bevölkerung gehen zum Spenden.
Dem muß abgeholfen werden, entschied das Zentralinstitut für Transfusionsmedizin (ZIT). Eine Aktion mit Sogwirkung müsse her, denn „Hamburg saugt seine Umgebung aus“, warnte Instituts-Mitarbeiter Dr. Volker Müller gestern.
Sprach's und sah zu, wie eine Krankenschwester der SPD-Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Elisabeth Kiausch, eine Nadel in die Vene schob. Denn das Institut setzt auf PolitikerInnen als Vorbilder. Bürgerschaftsabgeordnete, SenatorInnen und andere MitarbeiterInnen sollten sich gestern im Rathaus „in einer bundesweit einmaligen Aktion“von je einem halben Liter Blut trennen und damit zum Nachmachen anregen. Motto: Was für Voscherau gut ist, kann für mich nicht schlecht sein.
Nur dumm, daß der Senatschef nicht kam. Zwar unterstützte Hamburgs Erster Bürgermeister die Idee mit seiner Unterschrift im ZIT-Faltblatt, aber mitmachen wollte er nicht. Auch SenatorInnen bekamen Krankenschwester Barbara Brunte und ihre Kolleginnen nicht unter die Nadel. Erhard Rittershaus (Wirtschaft) ließ sich einen Termin geben, sagte aber kurz vorher ab. „Wegen einer anderen Verpflichtung“, wußte Müller. Er hat Verständnis: „Das ist in dem Beruf eben so.“Und schließlich gibt es auch SenatorInnen, über deren Entschuldigungen man sich freut: Wolfgang Hoffmann-Riem (Justiz) beispielsweise hat in den vergangenen Wochen so oft gespendet, daß er nicht schon wieder durfte.
Die aus dem Rathaus seien überhaupt ein ganz nettes Völkchen, lobte Volker Müller. Damit kann er nur die SPD gemeint haben, denn am Nachmittag lagerte fast nur sozialdemokratisch-rotes Blut in den Konserven. Die CDU, ansonsten Spenden-Verpflichtungen gegenüber bekanntlich aufgeschlossen, war nur durch eine Abgeordnete vertreten. Die GAL fehlte vollständig.
Macht nichts, fand Krankenschwester Barbara Hamann. Es mache ohnehin keinen Unterschied, ob sie einem Bürger oder -meister in den Arm steche. „Für mich sind alle Patienten gleich.“Der SPDlerin Karin Rogalski drückte sie zwei Packungen Eisentabletten in die Hand. „Die nehmen sie eine Woche lang.“
Außer dem Eisenschub, einer Portion Quark und O-Saft bekommt die Bürgerschaftsabgeordnete nichts für ihre Spende. Normalerweise zahlt der BSD jedem Freiwilligen 45 Mark. Das Geld wollen die Rathaus-MitarbeiterInnen jedoch dem Zimbalin-Kinderkrankenhaus in St. Petersburg geben. 1500 Mark, hofft Volker Müller, könnten zusammenkommen.
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