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Vor und hinter einer Ladentheke

■ Kevin Smith' Clerks–Die Ladenhüter versöhnt Screwball-Komödie und Aristoteles

An der amerikanischen Ostküste wird neuerdings wieder in Schwarz-Weiß gedreht. Abel Fer-rara (The Addiction) und Matthew Harrison (Rhythm Thief) begründeten dies noch lakonisch damit, daß New York in Farbe zu viele Reize aufweise und nur ein hohes Budget die Möglichkeit biete diese aus dem Bild zu räumen, also Straßen zu sperren und Studiokulissen zu errichten.

Auch Clerks ist mit einem lächerlichen Budget von 27.000 Dollar gedreht worden. Für die Verwendung des in der Anschaffung kaum preiswerteren Schwarz-Weiß-Materials muß es jedoch andere Gründe gegeben haben, denn das intime Kammerspiel findet beinahe ausschließlich in einem einzigen Raum statt, einem Grocery Store oder Gemischtwarenladen in New Jersey. Vermutlich wollte Regisseur Kevin Smith Authentizität kreieren, gilt doch Black&White für postmoderne Augen als untrügliches Zeichen für Dokumentarmaterial, als weniger inszeniert als die bunten Bilder. Begleitend wurden für Clerks völlig unbekannte Gesichter aus dem Freundeskreis von Smith angeheuert.

Es ist überwiegend eine einzige Kameraeinstellung, mit der er in Clerks auskommt – eine Halbtotale auf den Tresen jenes Gemischtwarenladens, in dem Dante auch an seinem freien Tag arbeiten muß. Weil die Schlösser mit Kaugummi verklebt sind, öffnet er nur die Eingangstür und malt mit Schuhcreme ein Plakat „Yes, we're open!“ Der Tag, der sich nicht gut anläßt, nimmt einen noch eigenartigeren Verlauf. Ein Kunde hält vor den Augen des Zigarettenverkäufers Dante eine Brandrede gegen das Rauchen. Als er dann eine veritable Raucherlunge auf den Tresen legt, weiß sich seine hemdsärmelige Freundin nur noch mit dem Feuerlöscher zu helfen. Die Meute stiebt auseinander, der Redner entpuppt sich als Vertreter für Kaugummis. Später horcht ein anderer Kunde die Eier aus dem Kühlregal ab und prüft ihre Rotationseigenschaften. Aus solchen Anekdoten über das gespannte Verhältnis zwischen Verkäufer und Kunde setzt sich ein kauziges Puzzle zusammen. Jede einzelne Episode wiederum nehmen Dante und Randall, ein Kumpel der im Video-Verleih gegenüber seine Kunden gehörig anmacht, zum Anlaß für ihre ebenso versauten wie gewitzten Dialoge in der Tradition der Screwball-Komödie.

Unterbrochen wird dies Panoptikum der Seltsamkeiten noch durch Zwischentitel wie „Peripetie“ und „Klimax“, die auf die aristotelische Poetik verweisen – althergebrachte Regeln, die auch in der Einheit von Raum und Zeit filmische Umsetzung finden. Am Ende schließt der Ladenhüter nach einem wirren Tag seinen Laden ab.

Volker Marquardt

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