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Vor dem Spiel Famagusta gegen WerderWie Phoenix aus der Asche

"Wir leben in einem Traum": Anorthosis Famagusta aus Zypern steht in der Hauptrunde der Champions League. Dienstagabend spielt der "Flüchtlingsverein" gegen Bremen.

Fußball auf politisch - ganz normal für Anorthosis Famagusta und Fans Bild: AP

Fast schon furchterregend ragt der Phoenix aus dem blau-weißen Vereinswappen von Anorthosis Famagusta hervor. Auf roten Flammen hockt er da, die Flügel weit gespannt und den Schnabel stolz in die Luft gestreckt. Der mythische Vogel also, der verbrennt, um aus seiner eigenen Asche wieder zu erstehen. Sinnbildlich steht dieses Wappentier für die wechselvolle und oft auch leidvolle Geschichte des Meisters aus Zypern, der am Dienstag zum Auftakt der Champions League bei Werder Bremen antritt (20.45 Uhr). Es ist ein Verein, mal ausgebombt, mal vertrieben - und noch immer ohne echte Heimat.

Umso größer ist die Freude darüber, was derzeit in Europa als "Fußballwunder" bezeichnet wird. Als erster Klub Zyperns ist Anorthosis der Einzug in die Champions-League-Gruppenphase gelungen. In der Qualifikationsphase hat die Multikultitruppe des georgischen Trainers Temuri Ketsbaia zunächst den armenischen Meister Pjunik Eriwan, dann Rapid Wien und schließlich den griechischen Meister Olympiakos Piräus aus dem lukrativen Rennen geworfen. "Wir leben in einem Traum, aber verdient", sagte der erst 40-jährige Ketsbaia nach der Heimkehr vom erfolgreichen Gastspiel in Piräus. Für den autoritären Georgier kam der Einzug in die Hauptrunde gar nicht überraschend - wie er auf dem fernen europäischen Festland wahrgenommen wurde. "Es ist der vorläufige Höhepunkt der disziplinierten Arbeit der letzten Jahre und keine Sensation", analysierte Ketsbaia nüchtern. Schon vor drei Jahren stand Anorthosis kurz vorm Einzug in die europäische Eliteklasse, scheiterte dann aber in der dritten Qualifikationsrunde an den Glasgow Rangers.

Der Fußball auf Zypern erlebt derzeit einen Boom. Neben Anorthosis erreichten mit Omonia und Apoel Nikosia noch zwei Teams die erste Runde des Uefa-Cups. Apoel trifft dort auf Schalke 04. "Wer heute als Profi nach Zypern geht, findet in den Spitzenklubs kaum andere Bedingungen vor als in der Bundesliga", erklärt der ehemalige deutsche Nationalspieler Marco Haber die Situation auf Zypern. Haber errang mit Anorthosis Famagusta im Jahr 2005 die zypriotische Meisterschaft. Es war die Zeit der endgültigen Professionalisierung des Fußballs auf dem Südteil der Insel. Vor allem der EU-Beitritt Zyperns 2004 spülte enorm viel Geld auf die sonnenreiche Insel, das die als geschäftstüchtig geltenden zypriotischen Businessmänner trefflich vermehren konnten. Einen Teil ihrer Profite steckten sie, auch um der Steuer zu entgehen, in diverse Fußballvereine.

Der 13-malige zypriotische Meister Anorthosis Famagusta gilt als professionell gemanagter Klub auf der Insel. Die große Dame ("Megali Kyria"), wie der 1911 gegründete Verein genannt wird, blieb in allen 26 Spielen der vergangenen Meisterschaft ungeschlagen. Der Saisonetat beträgt zwar nur rund 5 Millionen Euro. Doch dank enormer Zuwendungen aus der zypriotischen Geschäftswelt konnten schon seit Anfang der Neunzigerjahre ausländische Trainer und international namhafte Spieler angelockt werden.

Die Mannschaft des georgischen Erfolgscoaches Ketsbaia hat in dem Polen Lukasz Sosin, dem griechischen Europameister von 2004 Traianos Dellas und dem erst vor einem Monat verpflichteten Brasilianer Savio zwar eher betagte, aber durchaus spielstarke Kicker in ihren Reihen. "Wir freuen uns auf jedes Spiel in Europa und werden für manche Überraschung sorgen", davon ist Ketsbaia überzeugt. Vor allem daheim, im erst kürzlich aufwendig renovierten Antonis-Papadopoulos-Stadion, ist Anorthosis ein Gegner, den keiner unterschätzen sollte. Doch was ist schon daheim auf der Insel Zypern? 1956 wurde das Vereinsheim des Klubs in Famagusta von britischen Bomben zerstört, er musste erstmalig umziehen. Das Klubhaus galt als Zentrum der zypriotischen Befreiungsbewegung. Im April 1974 wurde die Stadt von türkischen Truppen besetzt. Der griechisch geprägte Verein flüchtete in den Südteil der Insel und baute sich in der Stadt Larnaka eine neue Existenz auf. Den Namen der Stadt Famagusta, die heute als Geisterstadt verfällt, nahmen die Vereinsverantwortlichen mit. Von der Zwangsumsiedlung erholte sich der Flüchtlingsverein aber schnell und kraftvoll, wie eben ein Phoenix aus der Asche. Aufgrund der Geschichte des Vereins gelten die Anorthosis-Fans als überaus nationalistisch, von der aktuellen Aussöhnungspolitik auf der Insel halten sie nicht viel. Oft sind sie selber Flüchtlinge oder stammen aus solchen Familien. "Famagusta is waiting for us", steht auf den Anorthosis-Transparenten. Und die Fans werden, das haben sie versprochen, die Auswärtsspiele der Champions League auch dazu nutzen, um auf das Schicksal ihrer "verlorenen Stadt" aufmerksam zu machen.

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