ORLANDO DUQUE, DER SPRINGMEISTER VON BARCELONA : Von oben herab
Ikarus passierte Samos und Delos zur Linken und Lebinthos zur Rechten, dann kam er der Sonne zu nah und stürzte ab. Orlando Duque verzichtet ganz auf Flughilfen, er liebt den kalkulierten Absturz aus 27 Metern, weswegen er auch keine Probleme hat, die Sonne zu verschatten, jenen Fixstern, der dem Sohn des Daidalus zum Verhängnis wurde. Der auf Hawaii lebende Kolumbianer Duque hat das Klippenspringen bei der WM in Barcelona gewonnen. Wie so oft landete er erst tief im Wasser und anschließend ganz oben auf dem Treppchen. Er ist der dominierende Mann in der Extremspringerszene. Seit 1999 ist er dabei. Duque scheute sich nicht, aus 34 Metern Höhe von einer Brücke zu springen. Sein Wagemut wurde in einem Film festgehalten: 9 Dives. „Ab dem Moment, in dem du ohne Angst bist, wird dein Leben zur Gefahr“, sagt er. Aber er wisse halt genau, wann er springen könne und wann nicht. Der Hasardeur gehört zu den „Movers and Shakers“ von Red Bull. Sein Sport ist nicht ohne. Erst kürzlich scheiterte der Cliff-Diving-Versuch des US-Schülers Alex Rovello tödlich. Das Internet ist voll mit Videos von missglückten Sprüngen ambitionierter Nachahmer, die nicht selten ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren. Der Schwimm-Weltverband Fina hatte Klippenspringen ins WM-Programm aufgenommen, um für ein Spektakel zu sorgen. Der Plan ging auf: Die Zuschauer hielten den Atem an, fieberten mit, genossen die Show. Bei dem österreichischen Brausehersteller, der die Sportart mit seiner Weltserie seit einigen Jahren immer populärer macht, gibt es auch Bestrebungen hinsichtlich einer Olympiateilnahme. Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees machten sich in Barcelona ein Bild vom sogenannten High Diving. Um die Anzahl der Sportler bei Sommerspielen nicht ausufern zu lassen, müsste für die Aufnahme von Klippenspringen in einer anderen Disziplin die Zahl der Athleten reduziert werden. Möglicherweise müsste eine andere Sportart weichen. TAZ