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Von null auf hundert

■ Hamburg feiert in vielen Veranstaltungen Hans Henny Jahnn

Mit seinem bedeutendsten Schriftsteller dieses Jahrhunderts, mit Hans Henny Jahnn, hat sich Hamburg stets schwergetan. Dabei schrieb etwa Hans Mayer über den Dichter, Orgelbauer und Forscher: „In Wirklichkeit blieb Hans Henny Jahnn stets ein Hamburger Bürgersohn, der es sich herzlich angelegen sein ließ, in der Gesellschaft nützlich zu sein und Leistungen zu vollbringen...“ Allerdings erwähnt Mayer dann „jenen Zug von Maßlosigkeit“, der verhinderte, daß Jahnns Arbeiten tatsächlich nützlich wurden.

Maßlos ist auch die Fülle der Veranstaltungen zu nennen, die Jahnn zu Ehren in den nächsten 14 Tagen stattfinden. Am 17. Dezember wäre der Schriftsteller hundert Jahre alt geworden. Da heißt es für den Fan, von null auf hundert schalten. Die Veranstaltungsreihe beginnt am 8. Dezember mit der Eröffnung einer Ausstellung über Jahnns monumentalen Roman Fluß ohne Ufer. Dem Wechselspiel von autobiografischen und phantastischen Motiven spüren die Exponate nach. So gewähren sie zugleich einen Einblick in die komplizierte Romanstruktur wie in Jahnns auch nicht eben unkompliziertes Leben. Ein instruktiver Katalog zur Ausstellung ist im Hamburger Dölling und Galitz Verlag erschienen.

Ausdrücklich nicht nur an Wissenschaftler, sondern auch an literarisch interessierte Laien richtet sich ein Kongreß, der vom 9. bis zum 11. Dezember unter wissenschaftlicher Leitung von Hartmut Böhme in der patriotischen Gesellschaft stattfindet (Karten sind an der Tageskasse zum Preis von 50,–/25,– DM erhältlich). Den Eröffnungsvortrag hält Fritz J. Raddatz, dessen Beitrag im Merian über Jahnn vor einigen Wochen allerdings etwas betulich ausfiel. Interessanter dürften da Vorträge und Debatten mit Jan Bürger, Gert Mattenklott, Jan Philipp Reemtsma u.a. werden. Claus Peymann und Frank-Patrick Steckel beleuchten zudem Jahnns Verhältnis zum Theater.

Spannend geradezu dürfte es am 15. Dezember im Literaturhaus zugehen. Jahnn-Verehrer wie Ulrich Greiner und Jahnn-Skeptiker wie Ulrich Holbein treffen in einem Streitgespräch aufeinander. Die Hamburger Literaturwissenschaftlerin Regula Venske stellt ihren Ansatz vor, Jahnn als monströsen Frauenverachter zu begreifen. Und Wolfgang von Wangenheim fragt gar, ob Jahnn überhaupt ein Schriftsteller ist: „Er hat viel gelitten und daran schreibend gearbeitet, doch vermochte er nicht, dem Leiden und Aufbegehren sprachliche Form zu verleihen.“

Aus dem breiten Angebot der musikalischen Veranstaltungen herausgehoben werden sollte das Gilgamesch-Literatur-Konzert in der Großen Musikhalle am 17. Dezember. Das Oratorium von Bohuslav Martinu sowie Texte, die Jahnn in Auseinandersetzung mit dem altbabylonischen Epos schrieb, werden dort zur Aufführung kommen. Es spielen der NDR-Chor, das Orchester des Prager Nationaltheaters sowie als Sprecher Ulrich Wildgruber. drk

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