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Von Störchen und Eintagsfliegen

■ Enorm: Mercedes-Benz als Ökobetrieb! / Eine Ausstellung im Bremer Rathaus, „denn letztlich haben wir das gleiche Ziel“

Gibt es einen Zielkonflikt zwischen Autobau und Umweltschutz? Jau, quakt der Frosch unterm Mercedesrad. Och nö, murmelt die Umweltstiftung, die über Mercedesgelder in ungeahnter Höhe verfügt. Ach was! Meint Mercedes-Benz und macht in der Unteren Rathaushalle eine Ausstellung namens „Umweltforum II – Auto und Umwelt, Alternative Antriebe, Verkehrsmanagement“.

Mercedes – alles öko! Möchte man ausrufen. Die Stellwände sind aus recyceltem Blech („Ich war möglicherweise ein Mercedes“); Baustellenpömpel, recycelt und wieder recycelbar, weisen den Weg; Journalisten erhalten Kugelschreiber aus Holz und eine selbstaufziehende Schweizer Armbanduhr ohne Igitt-Batterie. Und Frau Huy, Leiterin der Vorentwicklung PKW bei Mercedes und zugleich Umweltbevollmächtigte (Umwelt-Bevollmächtigte! Welch ein Auftrag!) in der Stuttgarter Zentrale bringt die Sache auf den Punkt: „Denn letztlich haben wir alle das gleiche Ziel: eine gesunde Umwelt.“

Weil es nicht jedem von vornherein einsichtig ist, daß eine Firma, die 1995 600.000 PKW und 320.000 große und kleine Brummis verkauft hat, ein Umweltschützer ist, demonstriert Mercedes in der Bremer Rathaushalle, wie man sich krummlegt im Konzern für Störche, Orchideen und gute Luft. 600.000 haben die Wanderausstellung schon gesehen, glauben die Ausstellungsmacher; in Bremen sollen noch einmal 40.000 hinzu kommen.

Und so funktioniert die Ausstellung, die nur „informieren“ will: Dem Besucher wird der Elektroantrieb erklärt, was Mercedes alles forscht, daß der „lokal positiv, global negativ“ ist, aber irgendwann kommt. Dann wird der Wasserstoffantrieb erklärt, und was Mercedes alles forscht, daß der „lokal positiv, global negativ“ ist, aber irgendwann kommt. Dann wird die Brennstoffzelle erklärt, und was Mercedes alles forscht, daß die toll ist, aber vielleicht erst in Jahrzehnten kommt. So geht es weiter mit Biodiesel und Bioalkohol, und dann wird der konventionelle Motor vorgeführt. Und man kann sich dem Eindruck einfach nicht verschließen, daß es sich um eine geniale Sache handelt. Mercedes: „Der Verbrennungsmotor ist der Motor unserer mobilen Gesellschaft. Seine Leistungsdichte, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit wird von alternativen Antrieben noch nicht erreicht – oft nicht einmal seine Umweltverträglichkeit.“ Lernziel: Der Ottomotor und der Diesel sind umweltverträglich.

Was also ist zu tun? 1): Forschen, forschen, forschen. 2): Weiter Fossiles verfeuern. Und 3): Ökosponsoring betreiben. So paßte es prima, daß just in diesem Monat Ein Jahr Umweltaktion „Natürlich Mobil“ zu begehen ist. Das ist ein Projekt von Mercedes und der Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), wohinter so renommierte Organisationen wie der BUND stehen. Stiftungspräsident ist Claus-Peter Hutter, übrigens ein Mann, dem keineswegs der Schneid abgekauft wurde. Er bleibt kritisch: „Natürlich gefällt uns bei Mercedes-Benz einiges nicht.“

Wenn man fragt, was nicht, denkt er ganz lange nach, aber es fällt ihm nichts ein. EURONATUR, erklärt Hutter, konzentriert sich auf „bedeutende Naturparadiese in Spanien, Deutschland, Frankreich, Italien und Ungarn“. Das deutsche Naturparadies liegt, man höre und staune, in Bremen! Es ist der „Großlebensraum Bremer Becken“, ein „wiederentstandenes Vogelparadies“, in dem „Radwanderwege und Beobachtungshütten“ gebaut werden sollen. Weil Radfahren was mit „mobil“ zu tun hat, auch Zugvögel (und die ebenfalls gepflegte Via Appia bei Rom oder traditionelle Hirtenwanderwge in Spanien). Mobil – das findet Mercedes wichtig und unterstützenswert.

Aus der Ausstellung, die bis zum 31. März läuft und täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet ist (Eintritt frei) wollen wir den schönsten Satz der Umweltbevollmächtigten Rose Gerrit Huy mit nach Hause nehmen: „Umweltschutz ist keine Eintagsfliege!“ BuS

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