■ Kommentar: Von Einsicht keine Spur
Mehr als ein Bedauern dafür, daß rumänische Tatverdächtige ihre Haft in Trainingsanzügen ohne Reißverschlüsse verbringen mußten, bringt der Bericht des Landeskriminalamtes nicht auf. Und schon im nächsten Satz werden die Inhaftierten quasi der Mittäterschaft bezichtigt: Deren Tendenz zu Selbstverletzungen mittels „scharfgeschliffener“ Reißverschlüsse habe zu der Maßnahme „beigetragen“. Außerdem hätten die Festgenommenen in Einzelfällen die Trainingsanzüge zusätzlich zerrissen, „so daß es zu vermeintlich belastenden Lichtbildern kam“.
Von Einsicht also keine Spur. Der Bericht zeigt vor allem eines: daß die Polizei zu einer wirklichen Aufarbeitung der gegen sie gerichteten Vorwürfe nicht in der Lage ist. Und auch Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Anstatt sich mit Nachdruck um Aufklärung zu bemühen, schiebt er die Verantwortung der Polizei zu. Da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als nutze der Innensenator den Vorfall, um den Polizeivizepräsidenten und SPD- Mann Dieter Schenk vorzuführen. Der hatte den Lumpenlook noch im August 1994 als „polizeiliche Fürsorge um das leibliche Wohl der Häftlinge“ verteidigt. Für parteipolitischen Streit sollte das Thema jedoch nicht mißbraucht werden. Gefragt ist eine rückhaltlose Aufarbeitung. Die steht noch aus. Dorothee Winden
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