: Von Berlin lernen?
■ Im Kino 46 wurde über die Zukunftsperspektiven von Film und Medien in Bremen diskutiert. Die Vision von einem Bremer „onlineMUSEUMfilm“ erhielt so manchen Dämpfer
„Angriff ist die beste Verteidigung“, sagten sich die Betreiber der verschiedenen im Medienzentrum Bremen ansässigen Organisationen wie das kommunale Kino 46 und das Bremer Filmbüro, und so boten sie am Freitag eine alternative Schulung in Sachen Kulturmanagement an. Und daran, dass ein großer Teil der etwa 100 Werkstatt-Teilnehmer von Radio Bremen (RB) kam, konnte man sehen, dass solch ein Erfahrungsaustausch in der Stadt durchaus nötig war.
Die Betreiber des Kino 46 haben ihre alles andere als bescheidenen Zukunftspläne ja vor einigen Tagen vorgestellt (die taz berichtete), und während des Vortrags des Leiters der Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin, Hans Helmut Prinzle,r konnte man Punkt für Punkt verfolgen, woher ihr Entwurf stammte. Denn das Modell war offensichtlich das neue Berliner Filmzentrum am Potsdamer Platz (mit einem high-tech Filmmuseum, zwei modernen Arsenalkinos usw.). Natürlich hatten die Berliner bei ihrem Projekt ungleich bessere Karten: zudem bekamen sie durch die Wiedervereinigung noch eine immobile Trumpfkarte in die Hand, aber dennoch waren einige strategische Empfehlungen von Prinzler an seine Bremer Kollegen sehr interessant.
Zuerst riet er ihnen zu viel Geduld, denn in Berlin brauchten sie über zehn Jahre, um schließlich ihr in den Sonykomplex integriertes Filmhaus zu realisieren. Zudem sollten sie sich möglichst schnell von der allzu puristischen Filmkunst verabschieden, sich auch auf die neuen Medien einlassen, und etwa mit RB kooperieren. Und dies nicht nur, weil sich die verschiedenen Medien immer mehr vermischen, sondern auch aus takischen Gründen.
Denn nach seinen Erfahrungen haben die Politiker wenig Interesse an der Filmkunst, lassen sich zwar gerne bei Premieren oder Preisverleihungen sehen, aber mehr auch nicht. Aber sie werden ganz schnell hellhörig, wenn es um die elektronischen Medien geht, denn dort wird auch ihr Schicksal entschieden, dort geht es nicht nur um ein paar Cineasten, sondern auch um ihre Wahlchancen, und dieses ganz eigennützige Interesse der Politiker sollte das Kommunalkino auch für sich nützen.
Der zweite Vortrag war eindeutig die angenehme Überraschung des Workshops, denn wer erwartet schon rhetorische Raffinessen in den Ausführungen eines Produktions-Ingenieurs zu Themen wie „Ist Technologiekompetenz erreichbar?“ oder „Verändern sich Medienproduktionen“? Aber Michael Mücher aus Hamburg bot genau diese in seinem sehr informativen (und sehr kompetent online präsentierten) Angriff auf die hochmodernen Torheiten.
Denn als solche entlarvte er die gerade gängigen High-tec-Hysterien, aus Hypes wie „digital“ und „Internet“ ließ er die Luft raus, und warnte etwa davor, sich zusehr in solchen coolen Begriffen und Berufsbezeichnungen wie „Mac-Design“ zu verlieren, die letztlich so nichtsagend sind, dass sie in der praktischen Arbeit nur stören. Ein „Audiodesigner“ ist auch nur ein „Tonmeister“, aber die Ausbildungen in Medienbetriebstechnik sind ebenso diffus wie ihre Terminologie, so dass gute Handwerker inzwischen schon Mangelware sind. Michael Mücher warnte vor Fehlentwicklungen, und nach seinem auch sprachkritischen Beitrag müssten sich die Kino 46-Macher mit ihrem törichten Schlagwort „onlineMUSEUMfilm“ gehörig schämen.
Das „Filmbüro Bremen“ stellte ebenfalls ein Zukunftskonzept vor,bei dem u.a. eine „Location-CD-Rom und Internet“ angepeilt wird, mit der Bremen sich international als Drehort empfiehlt. Das bereits in einer Demoversion bestehende Vorbild „www.location-germany.de“ wirkte dabei allerdings eher ernüchternd, denn man kann sich kaum einen Hollywoodregisseur vorstellen, der begeistert zum Telefon greift, nur weil er hier ein paar Postkartenbildchen (etwa vom Marktplatz oder dem Hafen) und die Adressen der besseren ansässigen Hotels gefunden hat. Dass Bremen als Drehort aber durchaus attraktiv sein kann, weil es immer weniger „unabgefilmte Szenerie“ gibt, führte der Geschäftsführer der Filmstiftung NRW Dieter Kosslick in seinem sehr launigen Vortrag aus. Hier verstömte ein Gewinner Selbstvertrauen, sehr sympathisch zwar, aber seine Ausführungen darüber, das Bremen „auch nicht schlechter“ sei als die meisten anderen Standorte, waren dann doch eher dünn. Der Mann hatte gut reden, und ein wenig Neid war (gerade bei den Herren von RB) deutlich zu spüren.
Der Vortrag des Bremer Professors für Medieninformatik, Jürgen Friedrich, war schließlich nicht viel mehr als ein Einführung in die Medien-Informatik, für viele bestimmt sehr lehrreich, aber dass etwa beim Computer ein „Paradigmenwechsel vom Werkzeug zum Medium“ stattfindet, ist nun wirklich keine große Neuigkeit mehr. Wie wohl jeder Workshop war also auch dieser im Kino 46 durchwachsen mit informativen, provokanten und eher drögen Vorträgen. Ob diese der Zukunft „von Film und Medien in Bremen“ Wege in eine sonnigere Richtung gewiesen haben, muss abgewartet werden.
Wilfried Hippen
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