REINHARD PELTE: KIELWASSER : Von Abkürzungen und Langatmigkeiten
IO, BGA, Provi, SVO, 123er, HEO, KaFü: Wem diese Abkürzungen etwas sagen, der war bei der Marine, mag Abkürzungen aller Art oder hat den zweiten Kriminalroman von Reinhard Pelte gelesen, in dem es den Kriminalrat Tomas Jung auf der Suche nach einem vermissten Marineoffizier auf ein Schiff im Arabischen Meer vor Dschibuti verschlägt.
Für alle anderen: IO ist der Erste Offizier, BGA ein Borddienst- und Gefechtsanzug, Provi meint den Proviantmeister, SVO ist ein Schiffsversorgungsoffizier, ein 123er ein Fregattentyp, der HEO der Helikoptereinsatzoffizier und der KaFü ist der Kantinenführer. So ein KaFü ist in „Kielwasser“ spurlos verschwunden und Jung, Leiter der Abteilung für unaufgeklärte Kapitalverbrechen in Flensburg, soll ihn finden – undercover versteht sich.
Aber ehe Jung überhaupt mit den Ermittlungen beginnen kann, müssen wir Leser uns durch endlos scheinende Seiten quälen, auf denen Jung auf den Einsatz an Bord, der als Wehrübung für ihn als Reservisten getarnt ist, vorbereitet wird. Wir müssen mit Jung zu Tauchübungen, ihn zu öden Besprechungen begleiten, lernen die verschiedenen Uniformen der Marine kennen und wann man sie trägt und müssen Informationen ertragen wie die, dass jeder, der einmal Soldat war, lebenslang eine PK hat. Eine was? Eine Personenkennziffer. Aha. Mit dem Fall hat das alles nichts zu tun. Und das Problem der losen Fäden, die die Handlung in keiner Weise voranbringen wollen, zieht sich durch den ganzen Kriminalroman.
Da sind beispielsweise die zwei deutschen Journalisten, die keine erkennbare Funktion für den Fall haben. Sie tauchen gegen Ende des Buches auf, fahren mit Jung und einigen Soldaten im Jeep durch die Gegend und essen mit ihnen zu Mittag, während Jung per Zufall den Fall um den verschwundenen KaFü löst. Wir erfahren lediglich, dass Jung und die anderen Besatzungsmitglieder nicht viel von Journalisten im Allgemeinen zu halten scheinen und dass diese Artikel schreiben, die mit der Realität an Bord nichts zu tun haben.
Dann ist da der Nachfolger des verschwundenen KaFüs, den Jung am Ende des Gesprächs mit der Ankündigung entlässt, wieder auf ihn zuzukommen. Passiert aber nicht. Oder der MET, der Meteorologe an Bord, mit dem sich Jung eine Kabine teilt. Über ihn erfahren wir, dass er viel arbeitet und seinen Job mag, aber nach einigen Wochen an Bord schlechte Laune ob der Enge bekommt und seine Familie vermisst. Relevant? Eher nicht.
Der Eindruck, dass Kriminalrat Jung und sein Fall nur Beiwerk sind, um eine Berechtigung zu schaffen, langatmig das Schiff, die dortigen Abläufe, die Aufgaben der Besatzungsmitglieder und Dschibuti beschreiben zu können, bestätigt sich nach einem Blick in die Biografie von Pelte. Er ist Meteorologe, fuhr zur See und seine Reisen führten ihn ins Arabische Meer und nach Dschibuti. Freunde der Marinematerie können „Kielwasser“ vielleicht etwas abgewinnen. Für alle anderen: Finger weg und lieber Peltes ersten Krimi „Inselkoller“ lesen. ILKA KREUTZTRÄGER
Reinhard Pelte: Kielwasser. Gmeiner-Verlag, 275 S., 9,90 Euro
Pelte auf Lesereise: Am 9. 9. Bad Münstereifel, 6. 10. Westerland/Sylt, 7. 11. Klanxbüll