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vorlauf Vom spirituellen Orgasmus im Ohr

„Music Planet: Santana“

(0.15 Uhr, Arte)

Seinen Bierbauch verbirgt er mit einem weiten Batik-T-Shirt, die Stirnglatze unter einem schwarzen Hut und die Tränensäcke hinter einer Sonnenbrille. Vor zwei Jahren, zu seinem 50. Geburtstag, wären Porträts wie dieses angebracht gewesen. Da war Carlos Santana aber so abgemeldet wie ein Motorrad im Winter und ungefähr genauso cool.

Erst 1999 hat der alte Rocker mit „Supernatural“ ein cleveres Comeback geschafft, reihenweise Grammys eingestrichen und sich mit Leuten wie Lauryn Hill oder Everlast umgeben. Und jetzt nimmt sich Arte eine Stunde Zeit, zu vorgerückter Stunde den Menschen Santana näher zu beleuchten.

Wer also endlich seinem intellektuellen Setzkasten den Namen Santana hinzufügen will, hat heute Abend Gelegenheit dazu. Wer aber den schmelzenden Groove von „Samba Pa Ti“ kennt, erfährt in den locker zusammengeschnittenen Interviews, Konzerten und Studioaufnahmen nichts Neues. Ja, er war bei seinem legendären Auftritt in Woodstock voll auf LSD: „Der Gitarrenhals bewegte sich wie eine Schlange.“ Nein, er hat nicht vor dreißig Jahren mit 12-Takt-Blues und afrokubanischen Einflüssen die World Music erfunden: „Das gab’s schon lange vorher.“ Ja, natürlich glaubt er an die spirituelle Macht der Musik: „Männliche Rhythmen und weibliche Melodien, das ist wie ein spiritueller Orgasmus.“

Vertan ist damit auch die Gelegenheit, mal die esoterischen Privatreligionen diverser Rockstars unter die Lupe zu nehmen. Verschenkt die Möglichkeit, den ausgewanderten Mexikaner über lange Jahre in Drogensumpf und Versenkung zu befragen. Stattdessen verbreitet sich der Gitarrist über Musik als universelle Sprache und verkündet leichthin: „Gerade die Ärmsten der Armen identifizieren sich mir mir“, dem mexikanischen Flüchtlingskind. „Shut up and play your guitar“, möchte man ihm da zurufen. Und muss doch warten, bis er im Sommer auf Tournee kommt. ARNO FRANK

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