: Vom filmischen Erwachen
■ Das Kurzfilmfestival zeigt schwulesbische Kurze im Metropolis-Kino
Was soll eine nur tun, die solche Transpirationsprobleme hat, daß sie die Arme nicht mehr heben mag und immer nur niedergeschlagen auf der nächsten Toilette die raffiniert unter den Achseln angebrachten Schwämmchen auswringen kann? Sie muß zusehen, daß sie sich befreit, daß sie ihr Leben lebt und glücklich wird – dann klappt's auch mit der Nachbarin. Was schlicht gestrickt klingt ist es auch, aber auf so unterhaltsame, ironisch-witzige Weise, daß es gleich der Komik-Höhepunkt des lesbischwulen Kurzfilmprogramms Meerjungfrauen und Matrosen im Metropolis wurde: Dike von der Kanadierin Lisa Hayes.
Das Spektrum war breit: von Mike Kuchars schwulem Klemm-Klassiker The Secret of Wendel Samson von 1966 über eine Potemkin-Variante aus Spanien, lesbische Kurzlieben zur tragischen schwulen Operndiva. Die reinen Technikspielereien fehlten hier ebenso wie bildverliebtes l'art pour l'art. Die sieben Filme wollten alle etwas zeigen, hatten Anliegen, die sie meist eher spielerisch locker umsetzten, und waren dabei von den Programmachern geschickt gereiht – je später, desto besser, oder so.
Neben dem schon erwähnten Dike wunderschön: Watching Her Sleep, eine US-amerikanische Gedankenentgleisung im Supermarkt, bei der eine Frau mit der seit einer Minute stumm Angebeteten schon alle Stadien einer Beziehung durchlaufen hat – ehe sie sie gar nicht erst anspricht. Den heftigsten Happen aber bildete die neuseeländische Produktion Twilight of the Gods, die in 15 Minuten die Begegnung eines Maori-Kriegers mit einem verletzten weißen Soldaten zeigt und dabei Haß, Verachtung, Annäherung, einen kurzen Augenblick der Liebe und ein grausliches Ende ohne einen Hauch von Kitsch in Bildern von großer Eindringlichkeit darstellte.
Im Nukleus wurde hier der grundlegende Unterschied zwischen Maori und Weißem verdeutlicht, ohne daß zeigefingerig verdeutlicht wurde. Kultur äußert sich hier „nur“ in der Art des Jagens, beim Maori, der genau das fängt, was er haben will, mit den bloßen Händen. Beim Weißen schon die technische Perfektion einer klugen Falle, die den heiligen Vogel des Maori zerquetscht.
Auch der letzte Film, der australische Let Me Die, Again von Leone Knight um die immer nur sterbenden Operndamen und ihre durchaus deutliche Verquickung zum schwulen Alltag, die in der In-Memoriam-Widmung im Nachspann ganz brutal sichtbar wird, paßte zum indirekten thematischen Kernpunkt des Abends:
Befreiung macht auch in der Wahl der Mittel frei. Und Larmoyanz wird selten. tom
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