: Vom Topmanager zum Tellerwäscher
■ „Pädagogische Maßnahme“: Blüm will Arbeitslose zur Aufnahme von wesentlich schlechteren Jobs zwingen
Berlin (taz) – Arbeitslose müssen sich künftig „aktiv“ um jeden zumutbaren Job bemühen, um weiterhin Geld vom Arbeitsamt zu bekommen. Das sehen die Eckpunkte zur Reform des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vor, die Arbeitsminister Norbert Blüm gestern in Bonn vorstellte. „Wir wollen überprüfen, ob tatsächlich Arbeitsbereitschaft besteht. Der Wille zur Arbeit wird getestet“, betonte der Minister.
Nach den Plänen der Regierung sollen Arbeitslose schon nach drei Monaten Erwerbslosigkeit eine neue Arbeit auch dann übernehmen müssen, wenn der letzte Lohn um 20 Prozent unterschritten wird. Nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit gilt eine Einkommensminderung um 30 Prozent als zumutbar. Der Job kann dann abgelehnt werden, wenn die Bezahlung unterhalb des Arbeitslosengeldes liegt.
Als „pädagogische Maßnahme“ (Blüm) müssen sich Erwerbslose alle drei Monate beim Arbeitsamt melden. Schließlich wird die Zumutbarkeitsgrenze auch bei der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz erweitert. In Zukunft müssen Stellen auch dann angenommen werden, wenn die Hin- und Rückfahrt zusammen drei Stunden dauert. Bislang galt eine Grenze von zweieinhalb Stunden. Werden „zumutbare“ Jobs verweigert, droht wie bisher schon eine vorübergehende Sperre der Arbeitslosenunterstützung. Die Pläne der Regierungskoalition müssen noch vom Kabinett gebilligt werden. Größte Hürde ist aber der SPD-dominierte Bundesrat: Das Gesetz ist dort zustimmungspflichtig.
Die Eckpunkte sehen des weiteren vor:
– Abfindungen von Unternehmen sollen künftig zur Hälfte auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden. Für ältere Beschäftigte gibt es Freibeträge.
– Die Altersgrenzen für die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld werden angehoben. Danach bekommen erst 57jährige, und nicht wie bisher 54jährige, für die Höchstdauer von 32 Monaten Arbeitslosengeld. Diese Regelungen erschweren es den Betrieben, ältere Beschäftigte auf Kosten des Arbeitsamtes vorzeitig zu entlassen.
– Die Förderung von AB-Maßnahmen wird weiter verringert. Die Bezahlung von ABM-Kräften soll sich künftig nur noch nach 80 Prozent des vergleichbaren tariflichen Arbeitsentgelts richten.
– Die Ausbildungsstellenvermittlung und die Berufsberatung sollen künftig auch für private Vermittler geöffnet werden.
– Die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen soll gefördert werden. Betriebe sollen für diese Erwerbslosen spezielle „Eingliederungsverträge“ für die Dauer von sechs Monaten abschließen können. Diese Eingliederungsverträge schließen den üblichen Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aus.
– Arbeitslose Existenzgründer sollen unterstützt werden: Beim Wechsel in die Selbständigkeit gibt es für bis zu sechs Monaten Überbrückungsgeld in Höhe der Arbeitslosenunterstützung. Der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung bleibt bis zu vier Jahre lang erhalten.
– Der Entwurf enthält auch eine sanfte Quote: „Frauen sollen entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen durch aktive Leistungen der Arbeitsförderung unterstützt werden.“ BD
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