: Vom Aschenputtel-Dasein der Tischtennis-Männer
■ Der Unternehmensberater Thomas Friese will zwei Charottenburger Tischtennisvereine nach oben hieven / Skepsis beim Tischtennis-Verband über das Projekt „Nehringstraße“ / Endziel: Erste Bundesliga
Die Zukunft des Berliner Tischtennis war bis vor kurzem weiblich. Während die Reinickendorfer Füchsinnen die letzte Saison mit der Deutschen Vize-Meisterschaft beendeten, spielen die Herren überregional keine Rolle: Rudow hält in der zweiten Liga einen Platz im Mittelfeld; eine Klasse tiefer jagen gleich drei Regionaligisten (TTLZ, Tennis Borussia sowie Abstiegskandidat Hertha BSC) dem winzigen Zelluloid-Ball hinterher; ebenso gut präsentiert sich die viertklassige Oberliga, an deren Spielbetrieb Reinickendorf Tennis Borussia II und der SCC teilnehmen. Im Großen und Ganzen gilt also: Viel Masse, wenig Klasse!
Dieser maskulinen Misere will nun der Unternehmensberater Thomas Friese (30), Sponsor des designierten Oberliga Aufsteigers Hertha 06, ein Ende setzen. Frieses Erfolgsrezept trägt den Namen „Projekt Nehringstraße“. In der Charlottenburger Nehringstrasse spielen sowohl Verbandsligist Hertha 06 als auch Oberligist SCC, dem sich Friese freundschaflich verbunden fühlt. Um dem SCC die Klasse zu erhalten, nahm Friese kurzerhand den Ranglistenspieler Hendrik Plikat von Hertha BSC unter Vertrag und lieh ihn kostenlos an den SCC aus: ein Vorgang, der selbst den Berliner Tisch-Tennis Verband (BTTV) überraschte.
Doch Plikats Blitztransfer, will man den Beteuerungen des Tischtennis-Gönners glauben, soll nicht charakteristisch werden für Frieses Vorhaben, die beiden Vereine aus der Nehringstrasse „zunächst bis in die Regionalliga“ zu hieven. Vielmehr, versichert der Geschäftsmann, setze er auf Kameradschaft und die Attraktivität des Charlottenburger Spielortes: „Die Spieler vom SCC und Hertha 06 wollen ohne Geld spielen, weil sie sich hier wohlfühlen.“ Eine Behauptung, die ihm freilich BTTV-Präsident Erwin Müller nicht abnimmt: „Die guten Spieler halten doch erst die Hand auf, bevor sie die Schuhe anziehen.“ Tatsächlich streckt Friese zunächst 40.000 Mark aus eigener Tasche vor, bis das Projekt anläuft, „aber dann ist Schluß“, so der Sponsor. Dann sollen nämlich genügend Berliner Spitzenspieler in der Nehringstrasse die Kelle schwingen, damit beide Vereine in der Reginalliga heimisch werden können. Eine effizientere Nachwuchsarbeit, das große Manko beider Clubs, könnte das ihrige dazu beitragen.
„Skeptisch, aber hoffnungsvoll“, urteilt BTTV-Präsident Müller über das „Projekt Nehringstrasse“, das die Berliner TT-Gemeinde unter einem Dach vereinen würde. Thomas Friese indes denkt schon über die Regionalliga hinaus. Weil aber, wie Experten bestätigten, eine überdurchschnittliche Zweitliga-Mannschaft pro Saison eine sechsstellige Summe verschlingt, müssen Wirtschaftsmagnaten gewonnen werden. Friese: „Wenn sich unser Modell verwirklichen läßt, dann kann man die Sache der Wirtschaft schmackhaft machen.“ Sein Traum, daran läßt der Nachwuchs-Sponsor keinen Zweifel, heißt - Bundesliga. Zuletzt hat dieses Ziel vor drei Jahren Hertha BSC erreicht, wenngleich mehrere westdeutsche und ausländische Kräfte angeheuert wurden, worauf Friese bewußt verzichten will. Der BTTV-Präsident Müller mag an einen derartigen Aufschwung im Berliner Männer-TT gar nicht mehr glauben, obwohl er dem Charlottenburger Modell alles Gute wünscht, „aber wir sind nicht Fußball oder Tennis. Wir haben kaum Kontakt zu Wirtschaftskreisen. Bei uns geht man ja nicht einmal zuschauen, wenn der Nachbar spielt.“
Jürgen Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen