: Vom Apparatschik zum Premier
Der heutige Sozialdemokrat Leszek Miller ist der Sieger der Wahlen in Polen
Seine Anhänger nannten ihn schon seit Wochen „Herr Ministerpräsident“, und Leszek Miller widersprach nicht. Es galt als sicher, dass der ehemalige Funktionär der polnischen Kommunisten mit dem runden Gesicht, den grauen Haaren und dem ironischen Lächeln schon bald den glücklosen Regierungschef Jerzy Buzek ablösen könnte.
Als Sohn einer Arbeiterfamilie begann Miller seine berufliche Laufbahn in einer Textilfabrik in Zyrardow bei Warschau. Mit 23 Jahren trat er der kommunistischen PVAP bei. Von Ehrgeiz und Fleiß getrieben, studierte er Politikwissenschaften und machte in der Partei Karriere. 1989 wurde er Sekretär des Zentralkomitees. Als Mitglied der „Betonkopf-Fraktion“ seiner Partei saß er am Runden Tisch mit den Vertretern der Oppositionsbewegung Solidarność, die die polnischen Kommunisten stürzte. 1993 kehrten die ehemaligen Kommunisten als Sozialdemokraten an die Macht zurück und Leszek Miller wurde zunächst Arbeits- und später Innenminister.
Wegen seines Redetalents und seines Charmes genießt Miller bei der politischen Linken große Beliebtheit. Bei der Parlamentswahl 1997, die seine sozialdemokratische SLD verlor, erzielte er mit 124.000 Stimmen das zweitbeste Wahlergebnis im ganzen Land. 1999 wurde Miller Vorsitzender der SLD. Wegen seines autoritären Führungsstils hat er in der Partei den Spitznamen „Kanzler“. Bei offiziellen Fototerminen umgibt er sich gerne mit dem Parteinachwuchs. Hinter den Kulissen schart er dagegen die ehemaligen kommunistischen Apparatschiks um sich, die er zu Beratern ernannt hat.
Kritiker werfen Miller vor, vor allem die Interessen der früheren Nomenklatura vertreten zu haben. Er selbst bemüht sich, seiner Partei ein westliches Image zu geben. Als bekennender Europäer engagiert sich der 55-Jährige für den EU-Beitritt Polens.
Millers etwas grober Humor wird selbst vom politischen Gegner geschätzt. Die Selbsteinschätzung seiner Verdienste als Arbeitsminister aus dem Jahr 1996 ist geradezu sprichwörtlich: „Einen echten Mann erkennt man nicht daran, wie er eine Aufgabe anpackt, sondern wie er sie zu Ende führt.“ afp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen