MIT IHRER FORDERUNG TORPEDIERT DIE IG METALL IHRE MODERNISIERUNG : Volle Pulle mit schalem Geschmack
Der Ablauf der Tarifverhandlung in der Metall- und Elektroindustrie steht jetzt fest: Die IG Metall wird ihre Forderung von 6,5 Prozent mehr Lohn damit rechtfertigen, dass die Arbeitnehmer jetzt endlich einen „Schluck aus der Pulle“ bräuchten, damit auch die Kaufkraft wieder steigen könne. Die Arbeitgeber wiederum werden auf „Lohnzurückhaltung“ beharren, die ja erst den Aufschwung und den Beschäftigungszuwachs ermöglicht hätten. Und am Ende wird es wie 2002 einen Abschluss bei 4 Prozent geben. Ungeklärt ist nur noch, ob ein Teil der Lohnerhöhung per Einmalpauschale ausgezahlt wird. Doch für die IG Metall könnte diese Tarifrunde einen Rückschritt bedeuten. Denn mit „Geld, Geld, Geld“ hat sie ein einziges Tarifziel formuliert, das eigentlich überwunden schien auf dem Weg zur Modernisierung der Gewerkschaft.
Noch vor gerade mal vier Jahren galten die Gewerkschaften als „Blockierer der Nation“. Sie wollten 2003 im Osten die 35-Stunden-Woche durchdrücken. Sie endeten bei einem Streikdesaster, einem Rücktritt des damaligen IG-Metall-Chefs Klaus Zwickel, einem mehrmonatigen Personalgezerre und einer offenen Feindschaft zwischen dem traditionellen und dem reformistischen Flügel. Die Folge war ein enormer Mitgliederschwund. Jetzt, 2007, werden sie gelobt. Und zwar nicht nur für die vernünftige Lohnpolitik der vergangenen Jahre, mit der die Gewerkschaft ihren Anteil am Aufschwung hat, sondern auch für eine Tarifpolitik, die sich den Problemen einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt annahm. Pragmatisch, realistisch, betriebsnah. Seien es Themen wie Qualifizierung der Belegschaften, seien es betriebliche Öffnungsklauseln, seien es Fragen des demografischen Wandels in den Unternehmen.
Und jetzt wieder mal nur „volle Pulle“? Es mag sein, dass der Druck der Mitglieder groß ist. Es mag auch sein, dass die IG-Metall-Führung die Mitglieder vor der noch unklaren Vorstandskür beim Gewerkschaftstag im Herbst friedlich stimmen will. Dann aber ist die IG Metall eben nur ein Lobbyist wie jeder andere auf dem Markt. Aber keine Organisation, die aus ihrem gewerkschaftlichen Handeln einen gesamtgesellschaftlichen Anspruch ableiten könnte. THILO KNOTT