: Volkszählung schaffte Hamburg
■ Noch immer fehlen der Hansestadt 248.000 Bögen / Chef des Statistischen Landesamtes, Erhard Hruschka, wurde jetzt vom Senat quasi kaltgestellt / NRW soll mit Datenverarbeitungsprogrammen aushelfen
Aus Hamburg Kai von Appen
Der Hamburger Senat hat erste Konsequenzen aus dem Desaster um die Volkszählung gezogen. Gestern wurde der bisherige Chef des Statistischen Landesamtes, Erhard Hruschka, quasi von der Leitung der Totalerfassung entbunden und der Regierungsdirektor der Justizbehörde, Heiner Steinhagel, zur „personellen Verstärkung“, wie es offiziell hieß, in die Statistikbehörde berufen. Gleichzeitig bewilligte die Stadtregierung weitere fünf Millionen Steuermark, um durch Einkauf von Datenverarbeitungsprogrammen in Nordrhein–Westfalen den Verzug bei der Volkszählung aufzuholen. Mit besonderer Liberalität wollte der Senat die unbeliebte Volkszählung unter den HanseatInnen durchführen. Statt Ruhm und Dank zu ernten, wurde der Elbemetropole ein ganz anderer Titel zugesprochen: „Hauptstadt des Volkszählungsboykotts“. Knapp elf Monate nach dem eigentlichen Stichtag der Volksbefragung fehlen nämlich den Hamburger Statistikern noch immer 248.000 Personen– und Betriebsstättenbögen. Den „Schwarzen Peter“ für das Zählchaos erhielt nun Hamburgs Statistikchef Hruschka. Er war es nämlich, der immer wieder durch Zweckoptimismus erhebliche Probleme bei der Zählung verharmloste: - Als die Zwangsrekrutierung von StaatsbeamtInnen mißlang, meldete Hruschka: „Wir haben genügend Zähler, um alle Haushalte abzudecken.“ - Als im Sommer immer noch zwei Drittel der HanseatInnen keine Unterlagen bekommen hatte, gab Hruschka dennoch Vollzugsmeldungen heraus. - Als zum Jahreswechsel sich das Debakel ankündigte, meinte der Statistiker: „90 Prozent der Unterlagen sind bereits in der Erhebungsstelle eingetroffen.“ Dem Versuch des Hamburger Senats - ähnlich wie Bremen - sich durch „Ersatzvornahmen“ aus den Melderegistern von der Zählerei zu verabschieden, wurde von Bundesinnenminister Zimmermann ein Riegel vorgeschoben. In Stellungnahmen verwies er die Hanseaten an ihre verfas sungsmäßige Pflicht, die vom Bundestag per Gesetz verabschiedete Volkszählung auch an der Elbe ordnungsgemäß durchzuführen. Andernfalls könne die Stadtregierung mit Kürzungen beim Länderfinanzausgleich rechnen. Mit 250 Mark Zwangsgeldern soll nun die Boykottfront, der dem Vernehmen nach auch Senatoren angehören, gebrochen werden. Ein Ende des Zählchaos ist damit allerdings immer noch nicht in Sicht.
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