: Volkskammer ändert Strafrecht
■ Erste Lesung des Strafrechtsänderungsgesetzes in der Volkskammer / Justizminister Wünsche: „Krasse Deformationen werden beseitigt“ / Neues zu den Stasi-Renten: Höchstgrenze 1.200 DM
Berlin (taz/dpa) - Den pikanten Höhepunkt der gestrigen Volkskammersitzung bildete zweifellos die Begründung eines umfassenden Strafrechtsänderungsgesetzes ausgerechnet durch den Minister, in dessen früherer Amtszeit einige der jetzt zu streichenden Paragraphen des politischen Strafrechtes erlassen worden waren. Justizminister Kurt Wünsche begründete vor dem Parlament neben den Änderungen zum Strafrecht die veränderte Stellung der Staatsanwaltschaft sowie ein neues Gerichtsverfassungsgesetz. Damit würden, so Wünsche, „krasse Deformationen“ in der Justiz der DDR beseitigt.
Wünsche zufolge geht es darum, Regelungen aufzuheben, die „administrativ-repressiven Charakter trugen und der Kriminalisierung kritischer Meinungs- und Willensbekundungen dienten“. Damit werde auch die Grundlage geschaffen, um früher zu Unrecht Verurteilte zu rehablitieren.
Die Entwürfe sehen nach Wünsches Worten unter anderem vor, die bisherige „übermächtige Stellung“ der Staatsanwaltschaft zu beseitigen. Alle zur Zeit tätigen Staatsanwälte sollten von einem Ausschuß überprüft werden.
In einer aktuellen Fragestunde erläuterte Sozialministerin Hildebrandt die zum ersten Juli geplante Kürzung der Renten für ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit. Nach den Worten der Ministerin erhalten danach rund 83 Prozent der 31.000 Betroffenen zwischen 500 und 1.000 DM Rente. Die Höchstgrenze werde generell auf 1.200 DM festgelegt. Als Beispiel für die Kürzung nannte sie auch den ehemaligen Stasi-Chef Mielke, dessen Rente von jetzt 4.377 Mark auf 1.200 Mark gesenkt werde. Der Nachweis eines Amtsmißbrauches werde zu weiteren Rentenkürzungen führen.
Die Ministerin gab die Höhe der Renten von führenden Angehörigen des ehemaligen Partei- und Staatsapparates mit 1.500 Mark an. Auch hier seien Kürzungen bei Funktionsmißbrauch vorgesehen.
Frau Hildebrandt regte auch eine Überprüfung der Bezüge der Volkskammerabgeordneten an. Damit reagierte sie auf die Demonstration von StudentInnen vor der Volkskammer, die gegen die geplante Stipendienregelung protestierten und die Abgeordneten wegen ihrer vergleichsweise opulenten Bezüge auspfiffen, als sie den Palast der Republik betraten.
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