Volksentscheide: Sonntags bläst die Kirche zum Kampf
Nicht nur öffentlicher Protest auf den Straßen gegen die Maßnahmen des neuen Rechtssenats hat sich längst formiert, jetzt kommt noch eine hochintelligente Form des Widerstands gegen Schwarz-Schill hinzu. Ein halbes Jahr, nachdem die HamburgerInnen mit ihrem Stimmzetteln ein Konglomerat aus Rechtspopulismus, christlichem Konservatismus und neoliberalem Wirtschaftslobbyismus an die Macht wählten, stehen die Zeichen erneut auf Wählen.
Kommentarvon KAI VON APPEN
Zwar ist ein Volksentscheid kein Instrument, um in der Millionenstadt Hamburg die Machtfrage neu zu stellen. Er ist aber eine demokratische Möglichkeit, einer Regierung Einhalt zu gebieten. Wie sehr diese des Volkes Willen scheut, zeigte sich bereits beim Bürgerentscheid zur Stresemannstraße in Altona. Da machten die Verfechter der schnellen breiten Autopiste lieber einen Spagat und stimmten dem Bürger-Ansinnen zu, bevor das Volk zur Wahlurne schreiten konnte. Wohlwissend, dass der Senat ans Bezirksvotum nicht gebunden ist.
In diesem Fall hat der Rechtssenator unter dem Christdemokraten Ole von Beust keine Möglichkeit, durch Tricks das Votum der HamburgerInnen auszuhebeln. Stimmen 250.000 Menschen in der letzten Phase der Volksinitiative dem Volksentscheid zu, muss sich die Regierung dem beugen. Und wenn der Senat beim Verkauf städtischer Kliniken es formal nur mit den Gewerkschaften zu tun hat, hat er im Konflikt um den freien Sonntag mit den Kirchen einen zusätzlichen gefährlichen Gegner: Zum Kampf um den freien Sonntag wird von der Kanzel geblasen.
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