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„Völlig isoliert“

Die Grüne Claudia Roth zum Vorstoß von Parteifreund Daniel Cohn-Bendit, das Asylrecht umzuwandeln

taz: Frau Roth, der grüne EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit hat am vergangenen Montag in der taz die Abschaffung des individuell einklagbaren Asylrechts verlangt. Eine gelungene Provokation?

Claudia Roth: Ich weiß wirklich nicht, warum er damit gerade jetzt kommt. Wir brauchen zwei Dinge: Einwanderung und das klare Bekenntnis zum Grundrecht auf Asyl.

Das stellt Cohn-Bendit nicht in Frage. Er will das individuelle Asylrecht durch eine institutionelle Garantie abzulösen.

Natürlich stellt er damit den Grundrechtscharakter des politischen Asyls in Frage. Denn wenn das individuell einklagbare Asylrecht zugunsten einer Institutsgarantie abgeschafft wird, kann ein abgewiesener Flüchtling eben nicht mehr vor einem Gericht klagen. Das ist ein großer Rückschritt.

Was ist daran so verwerflich? Stattdessen würde er vor einem Beschwerdeausschuss angehört.

Wir wollen aber kein Gnadenrecht des Staates. Es muss dabei bleiben, dass Flüchtlinge vor Gericht ziehen können. Das ist eine rechtsstaatliche Errungenschaft, die wir uns nicht nehmen lassen sollten.

Cohn-Bendit erklärt, das Asylrecht deutscher Ausprägung gründe auf den spezifischen Erfahrungen des Nationalsozialismus und sei daher in Europa nicht vermittelbar.

Es verlangt niemand in Europa von uns die Abschaffung des Asylgrundrechts. Das, was Dany jetzt wieder aus der Mottenkiste hervorholt, entspricht der Strategie der Konservativen. Diese ist jedoch gescheitert, unter anderem im Rahmen der Debatte um die EU-Grundrechte-Charta. Denn dort ist der allumfassende Bezug zur Genfer Flüchtlingskonvention erhalten.

Was in der Grundrechte-Charta steht, bedeutet aber nicht einen Schutz des individuellen Asylrechts.

Falsch. Der Abschiebeschutz in der Genfer Flüchtlingskonvention begründet ein subjektives Recht auf Schutzgewährung. Der Artikel 16a (Recht auf politisches Asyl, die Red.) und die Rechtswegegarantie unseres Grundgesetzes sind die Umsetzung.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Entwicklung eines Tages über die Grünen hinweggeht?

Nein. Unsere Aufgabe ist es, in der Gesellschaft dafür zu werben, dass das Grundrecht auf Asyl ein unantastbares Gut unserer Demokratie ist. Es bereichert unsere Gesellschaft ebenso wie die Einwanderung.

Offenbar will Cohn-Bendit testen, wie weit in dieser Frage Einigkeit bei den Grünen herrscht.

Da unterschätzt er die Geschlossenheit der Partei.

Warum nicht darüber diskutieren?

Wir haben doch erst kürzlich ein Autorenpapier vorgestellt, das alle maßgeblichen Positionen der Grünen in Fraktion und Partei vereinigt – von Cem Özdemir über Renate Künast, Kerstin Müller, Marieluise Beck bis zu meiner Person. Wir mögen in manchen Fragen der Ausgestaltung von Zuwanderung unterschiedlicher Ansicht sein. Beim Asylrecht sind wir es nicht. Da ist, man muss es so sagen, Dany völlig isoliert.

INTERVIEW: SEVERIN WEILAND

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