: Vize ist doch auch toll
SCHLAGSEITE Die SPD-Linke konnte Ralf Stegner nicht als Generalsekretär durchsetzen. Der möchte in der Funktion des Vizeparteichefs nun „neue Möglichkeiten“ erkennen. Die verprellte Hilde Mattheis will derweil die Basis bei Gesetzesvorhaben öfter einbeziehen
■ 85 Tage nach der Bundestagswahl haben die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Vertrag über ihre Regierungskoalition unterschrieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der künftige Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und CSU-Chef Horst Seehofer setzten am Montag in Berlin ihre Unterschrift unter den Vertrag, der bis 2017 als Regierungsgrundlage dienen soll.
■ Als zentrale Ziele ihrer dritten Regierungszeit nannte Merkel die Sicherung solider Staatsfinanzen und die Wahrung der sozialen Sicherheit. Auch Gabriel hob die soziale Komponente des Koalitionsvertrags hervor.
■ Am Dienstag soll der Bundestag Merkel als Kanzlerin wiederwählen. Ihre Bestätigung im Amt gilt angesichts der Mehrheit der Koalition im Bundestag als sicher. (afp)
AUS BERLIN ANJA MAIER
Ralf Stegner ist zufrieden. Dass er am Ende der Personalrochaden doch nicht SPD-Generalsekretär wird, war zwar eine Überraschung. Es galt als offenes Geheimnis, dass der Schleswig-Holsteiner gerne ins Willy-Brandt-Haus eingezogen wäre. Aber dann war er doch nicht geeignet genug.
Parteichef Sigmar Gabriel war aufgefallen, dass in seiner SPD „die Alltagsgesichter zu männlich“ seien, wie er das bei der Verkündung der Postenvergabe formulierte. Und deshalb werde nicht Ralf Stegner Generalsekretär, sondern eine Frau.
Stegner, der der Koordinator der Partei-Linken im Parteivorstand ist, hätte als Generalsekretär an Einfluss auf die gesamte Gesamtlinie gewonnen. Die Partei-Linke ist angeschlagen, seit beim Bundesparteitag zwei ihrer wichtigsten Vertreter aus dem Vorstand geboxt wurden. Sowohl Hilde Mattheis, die Vorsitzende des Forums Demokratische Linke (DL21), als auch Klaus Barthel, der Chef der für die SPD identitären Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, scheiterten.
Nun wird Ralf Stegner also stellvertretender Parteivorsitzender. Immer vorausgesetzt natürlich, die Delegierten geben ihm beim Sonderparteitag Ende Januar ihr Okay. Es ist ein cleverer Schachzug des Parteivorsitzenden: den verprellten Partei-Linken Stegner nach oben in die innere Parteiführung zu loben und ihn so enger einzubinden. Selbst wenn das bedeutet, einen sechsten Vizeposten schaffen zu müssen.
Stegner selbst gibt sich zuversichtlich. „Als Generalsekretär wäre ich Parteiangestellter gewesen“, sagt er der taz, „da hat man als stellvertretender Parteivorsitzender mehr Freiheiten.“ Mit ihm und dem Hessen Torsten Schäfer-Gümbel säßen gleich zwei Männer ohne Regierungsamt in der Parteispitze, „das eröffnet andere Möglichkeiten.“ Seine Aufgabe als Flügel-Koordinator im Parteivorstand nimmt er weiterhin ernst. „In der Großen Koalition kommt es jetzt noch mehr auf die Partei-Linke an“, sagt Stegner. Eine seiner Aufgaben soll sein, das Gespräch mit der Linkspartei zu suchen, um die SPD bis 2017 offener für ein Bündnis zu machen.
Hilde Mattheis versucht, in der Personalie Stegner das Beste zu sehen. Als Vizevorsitzender werde er „wichtig für die Partei-Linke sein und sicher entsprechend Einfluss auf die inhaltlichen Debatten nehmen“, sagt sie der taz. Die Vorsitzende des DL21, das durch die Austritte profilierter Mitglieder wie Schäfer-Gümbel und Ex-Juso-Chef Björn Böhning geschwächt ist, setzt künftig auf Basisbeteiligung. Gerade in der Großen Koalition gelte es, „sich inhaltlich nicht abschleifen zu lassen“.
Mattheis schlägt derweil vor, das Instrument der Basisbefragung weiter zu nutzen. Bei zentralen Gesetzesvorhaben der Großen Koalition, etwa bei Themen wie Arbeitsmarkt, Rente oder Militäreinsätzen, sollte die Parteiführung die Haltung der Basis „abfragen“. Die „Hauptkonfrontationspunkte“ mit der Union sieht sie während der dritten Amtszeit Angela Merkels bei europapolitischen Themen und bei der Finanzierung schwarz-roter Projekte.