Visums-Wahn: Die Grenzen der Kunst
Die französischen Behörden verhindern die Aufführung eines Theaterstücks, weil sie dessen sudanesischem Protagonisten die Einreise verweigern
Es ist zum Verzweifeln, aber noch hat Das Letzte Kleinod nicht aufgegeben. „Es würde reichen“, sagt Juliane Lenssen, „wenn Abdu am kommenden Freitag in den Flieger steigt.“ Abdu ist der Protagonist der Szene „Sudan“, mit der die Jugendabteilung der Schiffdorfer Theaterkompagnie zum „Generation to Generation“-Festival des Théâtre du Pélican nach Clermont-Ferrand eingeladen ist. Und es ist die Geschichte des jungen Mannes selbst: Die Flucht aus einem Lager in Darfur, das abwechselnd staatliche Miliz und Rebellentruppe überfallen – gefoltert wird er von beiden. Sein Trip durch die Wüste. Wie er von Schleppern in einem heillos überfüllten Boot aufs Meer gebracht wird. Wie er trotzdem lebend Europa erreicht.
Drei Vorstellungen soll es davon geben, das ist der Plan. Bloß die Behörden spielen nicht mit: Frankreich stellt kein Visum aus, weil Abdu zwar bei seiner Ankunft in Schiffdorf vor zwei Jahren Asyl beantragt, aber noch keinen Bescheid hat und deshalb keine deutschen Papiere. Man sei „stetig bemüht, den Austausch und künstlerische Projekte zwischen unseren Ländern unter Achtung des geltenden Rechts zu fördern“, lässt die französische Botschaft auf taz-Anfrage wissen. Aber erst, wenn „die deutschen Behörden ein gültiges Reisedokument ausstellen, wird das französische Generalkonsulat ein Visum ausstellen können“. Zuvor hatte der Landkreis Cuxhaven dem Ensemble erklärt, es müsse sich erst mal ein Visum für Frankreich besorgen – dann könne man „eine Sondergenehmigung ausstellen“. Dabei hätte die dortige Ausländerbehörde selbstverständlich die Möglichkeit, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen – und dann auch für die Einreise nach Frankreich erforderliche Papiere auzustellen.
So aber droht der Fall zu einem Musterbeispiel europäischer Missverständigung zu werden: Mittlerweile liegt Seiner Exzellenz Philippe Étienne, dem Botschafter Frankreichs höchstselbst, eine Eingabe vor. „Wir wollen mal sehen“, sagt Lenssen, ob das „noch jemanden bewegt, trotz der Pfingsttage tätig zu werden“.