piwik no script img

Visa-VergabeCDUler findet Steinmeier zu streng

Freude bei SPD, Entsetzen in der Union: Ein Christdemokrat beklagt, die Botschaft in Kiew gehe zu scharf mit Einreisewilligen um.

Zu streng für die CDU: Deutsche Botschaft in Kiew Bild: dpa

Es gibt Vorwürfe, die Minister königlich amüsieren - auch wenn sie das nicht zeigen dürfen. Einem solchen Vorwurf sieht sich jetzt Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ausgesetzt. Die Prüfung von Visa-Anträgen durch die deutsche Botschaft in Kiew sei "zu scharf, rigide und wirtschaftsfeindlich", kritisierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Schirmbeck. Der Anlass seiner Klage: 2006 wurden nur noch rund 125.000 Visa ausgestellt, halb so viele wie 2004.

Ukrainische Studentinnen, Facharbeiter, ja selbst Topmanager würden "wie potenzielle Prostituierte und Kriminelle behandelt", schimpfte der Unionspolitiker in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Dies sei eine "skandalöse Diskriminierung und Schädigung der deutschen Wirtschaft".

Als Steinmeiers Sprecher am Freitag vor der Bundespressekonferenz auf diese Kritik angesprochen wurde, erinnerte er an den "historischen Kontext" und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Schließlich hatte die Union vor zwei Jahren noch ganz andere Sorgen: Damals verteufelte sie die angeblich viel zu lasche Visapolitik der rot-grünen Regierung, der auch Steinmeier als Kanzleramtschef angehörte.

Im ersten Teil seiner Antwort wies der Sprecher des heutigen Außenministers die neuen Vorwürfe zurück. Es sei unzutreffend, dass die Visavergabe restriktiv sei. Die Botschaft in Kiew halte sich an EU-Vorgaben. Im Vergleich zu 2005 sei die Zahl der Visa von 117.000 auf 125.000 leicht gestiegen. Dass die Zahlen früher viel höher lagen, erwähnte der Sprecher nicht.

Jerzy Montag, einstiger Grünen-Obmann im Visa-Untersuchungsausschuss, sagte der taz: "Es ist eine Farce der Geschichte, dass es jetzt die Union ist, die einen Zustand beklagt, den sie durch ihr eigenes Verhalten herbeigeführt hat." Die Visavergabe sei in der Tat "wirtschafts- und bildungsfeindlich geworden". Die Klage des CDU-Kollegen sei "eine Kritik, die Herrn Uhl in den Ohren klingen müsste."

Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl hatte als Untersuchungsausschussvorsitzender die rot-grüne Visapolitik besonders heftig angegriffen. Der taz sagte Uhl jetzt: "Mir klingt gar nichts in den Ohren." Als ehemaliger Leiter der Münchner Ausländerbehörde wisse er, dass "immer wieder Einzelfälle falsch entschieden werden". Aber: "Die große Masse wird richtig entschieden. Davon gehe ich auch in Kiew aus." Es könne keine Rede davon sein, dass die Visapolitik von einem Extrem ins andere geraten sei. 130.000 Visa seien "immer noch eine enorm große Zahl".

Der CDU-Innenpolitiker Reinhard Grindel ärgert sich über seinen Parteifreund Schirmbeck: "Was er sagt, ist falsch. Wir sind mit der Visapraxis einverstanden." Die gestiegene Zahl der abgelehnten Anträge zeige, dass es Missbrauchsfälle gebe, "die jetzt endlich identifiziert werden". Er werde Schirmbeck "deutlich machen, dass seine Position abwegig ist", kündigte Grindel an. "Für die Innenpolitiker der Union sage ich: Visaerleichterungen, geschweige denn Visafreiheit für die Ukraine kommen für uns auf keinen Fall in Frage."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • PR
    Pichner Rainulf

    Ich finde Herrn Schirmbecks Kritik noch zu wohlwollend. Niemand wird in Frage stellen, dass die Botschaft gewissenhaft Visaanträge prüfen muss. Warum aber die ukrainischen Antragsteller, die oft eine beschwerliche Tagesreise zu dieser Behörde in Kiew unternehmen müssen, dabei unhöflich bis frech und demütigend behandelt werden, dass wissen wohl nur Herr Steinmeier und Herr Uhl. Leider beschweren sich zu wenige Antragsteller über das Betragen dieser Botschaftsangestellten, wohl aus Furcht vor weitergehenden Schikanen.

  • PR
    Pichner Rainulf

    Ich finde Herrn Schirmbecks Kritik noch zu wohlwollend. Niemand wird in Frage stellen, dass die Botschaft gewissenhaft Visaanträge prüfen muss. Warum aber die ukrainischen Antragsteller, die oft eine beschwerliche Tagesreise zu dieser Behörde in Kiew unternehmen müssen, dabei unhöflich bis frech und demütigend behandelt werden, dass wissen wohl nur Herr Steinmeier und Herr Uhl. Leider beschweren sich zu wenige Antragsteller über das Betragen dieser Botschaftsangestellten, wohl aus Furcht vor weitergehenden Schikanen.

  • PR
    Pichner Rainulf

    Ich finde Herrn Schirmbecks Kritik noch zu wohlwollend. Niemand wird in Frage stellen, dass die Botschaft gewissenhaft Visaanträge prüfen muss. Warum aber die ukrainischen Antragsteller, die oft eine beschwerliche Tagesreise zu dieser Behörde in Kiew unternehmen müssen, dabei unhöflich bis frech und demütigend behandelt werden, dass wissen wohl nur Herr Steinmeier und Herr Uhl. Leider beschweren sich zu wenige Antragsteller über das Betragen dieser Botschaftsangestellten, wohl aus Furcht vor weitergehenden Schikanen.