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Vietnams Parteiführung „geht auf einem Bein“

■ Mit dem Ausschluß des Reformers Tran Xuan Bach erteilte das ZK-Plenum der vietnamesischen Partei Reformvorschlägen nach osteuropäischem Vorbild eine klare Absage / Hardliner fürchten, daß auch sie die Forderung nach politischem Wandel einholen könnte

Während der größte Teil der sozialistischen Welt Experimente mit dem Mehrparteiensystem anstellt, entbrennt die vietnamesische Führung für das Machtmonopol der kommunistischen Partei. Politische Reformen sind in Vietnam nicht erwünscht, so jedenfalls die Beschlußlage der Vollversammlung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei, die vergangene Woche ihr Abschlußkommunique vorlegte. Betont wurde darin die Notwendigkeit „politischer Stabilität, trotz der Krise in den sozialistischen Ländern, müsse entschlossen am Ziel der Verwirklichung des Sozialismus festgehalten werden.“ Verkündet wurde überdies der Ausschluß von Tran Xuan Bach aus Politbüro und Zentralkomitee. Der ausgemachte Advokat politischer Reformen, habe allzu „freie Reden geschwungen und die Führung entzweit“, hieß es in der Resolution. Dies reflektiert zwar den Kurs der Hardlinerfraktion, keineswegs aber einen herrschenden Konsens. General Tran Cong Man, dem Herausgeber der Armeezeitung zufolge gab es eine „lebhafte und heftige“ Debatte zu zentralen Fragen über die Priorität von ökonomischen Reformen oder politischem Wandel.

Vor einem Jahr erzürnte Tran Xuan Bach die Parteiführung, als er gegenüber Journalisten bemerkte, daß Vietnam ein Übergreifen des osteuropäischen Aufbegehrens fürchte. „Man kann nicht davon ausgehen, daß diese Turbulenzen an den europäischen Grenzen haltmachen. Unzufriedenheit macht sich auch unter den Vietnamesen breit. Sie fordern Demokratie und soziale Gerechtigkeit.“ Bereits nach den Vorbereitungstreffen für die anstehenden Resolutionen, an denen Bach teilgenommen hatte, war er über die Unfähigkeit der Partei, Reformen in Angiff zu nehmen, dermaßen enttäuscht, daß er die Partei öffentlich kritisierte, und beging damit jenen Kardinalfehler, der ihn zu Fall bringen sollte.

In den letzten Monaten wurde klar, daß die vietnamesische Führung zunehmend in die Defensive ging und politische Reformen in naher Zukunft ausschloß. „In unserem Land soll es nur ein Volk und nur eine Partei geben“, verkündete Radio Hanoi am Vorabend des Parteitreffens und zerschlug damit die Hoffnung vieler jüngerer Parteimitglieder, die älteren Kader hätten sich ernstlich mit der dringend notwendigen politischen Erneuerung befaßt.

Etliche Parteimitglieder hatten Reformen osteuropäischen Stils eingeklagt. Im Vorfeld wurden die zwei Millionen Parteimitglieder aufgefordert, in alter Tradition die Resolutionsentwürfe zu kommentieren. Die Parteibüros wurden mit Vorschlägen geradezu überschüttet. Gefordert wurde die Erneuerung der Parteiführung durch jüngere und reformfreudigere Kräfte, die Unabhängigkeit von Nationalversammlung und Partei, eine durchgreifende Antikorruptionskampagne sowie Rede- und Versammlungsfreiheit.

Stattdessen bleibt nun alles bei der alten restriktiven Kontrolle des Apparats. „Die Parteireformer sind auf dem Rückzug“, sagte jüngst ein gehobener vietnamesischer Beamte in Hanoi. „Die alte Führung zieht aus den Umbrüchen in Osteuropa die Lehre, die Partei eher zu stärken, denn zu schwächen.“

Seit es letzten Sommer in Osteuropa zu kriseln begann, ging die vietnamesische Führung zunehmend dazu über, kritische Stimmen innerhalb und außerhalb der Partei zu unterdrücken, insbesondere unter Autoren und Intellektuellen griff man scharf durch. Sie hatten in den vergangenen Jahren vergleichsweise größere Freiheiten genossen. Selbst innerhalb der Partei hatte man sich um eine Demokratisierung bemüht, indem man jüngeren Kräften den Vortritt gab.

Deutlich wurden diese Tendenzen noch bei den Kommunalwahlen im November 1989. Die Wähler wurden ermutigt sich für junge unkorrumpierbare Kandidaten zu entscheiden, die sich die Kontrolle der Regierungsverwaltung auf lokaler Ebene vorgenommen hatten. Im ganzen Land wurden daraufhin weniger als 20Prozent der alten Mitglieder wiedergewählt. Die meisten der neu in die Pflicht genommenen waren in ihren Dreißigern und Vierzigern. Die kommunistischen Partei hatte sich zwar für dieses Ergebnis stark gemacht, reagierte damit jedoch nur auf eine weitverbreitete Unzufriedenheit. Allzu lange hatte sich die Partei politischer Strukturveränderung gesperrt.

Ziel der Partei sei das vietnamesische Volk auf einem einzigen Pfad zu einen und einen neuen Sozialismus hervorzubringen, so sieht es jedenfalls Bui Tin, der auch die Parteizeitung 'Nhan Dan‘ herausgibt. „Um dies allerdings zu Wege zu bringen, müssen wir die Partei demokratisieren, persönlichen Freiheiten und Organisationsfreiheit einräumen“, sagt der alte Parteigänger.

Wie auch immer, seit Beginn diesen Jahres ging die Partei mehr und mehr gegen jene vor, die das sozialistische Modell für Vietnam in Frage stellten.

Keine Frage, daß die Vietnamesen auf das hinaus wollen, was schon die chinesische Führung versucht hat: ökonomische Liberalisierung und gleichzeitig den Alleinanspruch der Partei auf die Macht. Bisher ist es Vietnam gelungen, jene Massendemonstrationen abzuwenden, die in den meisten anderen sozialistischen Ländern ökonomischen Reformen gefolgt sind. Nur zu einem Teil ist dies das Resultat strikter Unterdrückung der Dissidenten.

Gegenwärtig ist „doi moi“, die vietnamesische Variante von Glasnost und Perestroika, an deren Durchsetzung Nguyen Van Linh wesentlich beteiligt ist, durchaus populär und zeitigte auf ökonomischen Gebiet unmittelbare Ergebnisse. In weniger als zwei Jahren wurde Vietnams dreistellige Inflationsrate auf weniger als 20 Prozent gedrosselt. Lebensmittelrationierungen sind aus dem Alltag so gut wie verschwunden. Die Abschaffung der Landwirtschaftskollektive verhalf in diesem Jahr nicht nur zu einer ausreichenden Getreideproduktion, sondern darüberhinaus noch zu einem 1,5 Millionen Tonnen Überschuß an Reis für den Export.

Mit der Abkehr von der zentralen Wirtschaftsplanung sollten nicht zuletztInvestoren vor allem aus den USA, Japan und Europa beeindruckt werden. Vietnams ökonomische Reformen gelten als so erfolgreich, daß Moskau ein Wissenschaftlerteam entsandte, um sich von Hanoi etwas abzuschauen.

Die Partei weiß wohl, daß der Prosperität alsbald Forderungen nach politischen Reformen folgen werden. „Politische und ökonomische Reformen müssen verknüpft werden“, erklärte Tran Xuan Bach seinen Parteigenossen ohne Umschweife. „Sie können nicht laufen, wenn ein Bein kürzer als das andere ist, und auch nicht auf einem Bein allein.“ Aber die Partei hat sich FÜLLERZEILE

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eben diesem Humpelkurs verschrieben.

Wie ein vietnamesischer Reformer aus Ho-Chi-Minh-Stadt, der heute selbst zu den Ausgeschlossenen zählt, sagte: „Tiananmen sollte der Partei eine Warnung sein, daß dies ein gefährlicher Kurs ist.“ Sollte sich die Partei bis zum achten Parteikongreß Ende des Jahres keine politischen Reformen ins Programm geschrieben haben, dürfte eine Konfrontation zwischen der Parteiführung und dem vietnamesischen Volk nur noch eine Frage der Zeit sein.

Larry Jagan

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