: „Vielleicht ist Montag das Tor dicht“
■ 2.000 Vulkanesen gingen in Vegesack auf die Straße, 3.000 in Bremerhaven / bedrückte Stimmung
Die klirrende Kälte konnte die rund 2.000 Vulkanesen gestern nicht davon abhalten, für ihre Arbeitsplätze auf die Straße zu gehen. In Blaumännern und mit orangen Sicherheitshelmen auf den Köpfen zogen sie bei minus zwölf Grad schweigend durch die Straßen von Vegesack. Das Hick-Hack der letzten Monate um die Rettung des Werftenverbundes hat die ArbeiterInnen offenbar mürbe gemacht. Stumm marschierten sie zum Sedan-Platz. Sprechchöre waren nicht zu hören. Doch die Angst um ihre Arbeitsplätze steht den WerftarbeiterInnen im Gesicht und auf den Transparenten geschrieben. „Wir sind kein Spielball der Banken“, haben die Vulkanesen mit schwarzer Farbe auf weißen Grund gepinselt. „Macht Schluß mit dem grausigen Spiel“, forderte Betriebsrat Karl-Heinz Schönberger auf der Kundgebung. Ein Appell der ungehört verhallte.
Die EU-Kommission hat gestern noch keine Entscheidung getroffen, ob die vom Land Bremen zugesicherte Bürgschaft über 220 Millionen Mark für den Bau des Passagierschiffes „Costa 2“ den EU-Wettbewerbsregeln entspricht. Ob die Bürgschaft somit rechtmäßig ist, werde voraussichtlich nicht vor Ende nächster Woche entschieden, sagte in Brüssel ein Sprecher von Karel Van Miert, dem EU-Wettbewerbskommissar. Das Bankenkonsortium, allen voran die Commerzbank, will den Geldhahn für den Kredit allerdings erst aufdrehen, wenn die EU-Kommissare in Brüssel nicken.
Ein Verfahren, das Bürgermeister Henning Scherf (SPD) ganz und gar nicht schmeckt. Die Bundesregierung und alle Länder wollten es nicht den „Bürokraten in Brüssel überlassen zu entscheiden, ob wir den Kampf bestehen oder nicht“, schimpft er nach der Kundgebung vor Journalisten. „Wenn nicht nächste Woche entschieden wird, befürchten wir den Konkurs des Unternehmens.“
„Die Rettung des Vulkan Verbundes ist ein aktiver Beitrag zu einem Bündnis für Arbeit“, riefScherf hingegen den WerftarbeiterInnen in Vegesack zu. Er gehe davon aus, daß die „Banker begriffen“ hätten, wie dringlich die Kreditfreigabe sei. Die Vulkanesen lauschten dem Bürgermeister offenbar mit Skepsis. Seine Worte quittierten sie mit verhaltenem Applaus. Erst als Schönberger ins Mikrophon brüllte: „Wenn wir keine Chance bekommen, wenn wir nicht bald grünes Licht erhalten, können wir auch streiken“, tauten die Vulkanesen auf. Sie klatschten begeistert in ihre Hände, die von der Eiseskälte vermutlich klamm geworden waren.
Auch in Bremerhaven erntete Frank Teichmüller, Bezirksleiter der IG Metall, tosenden Applaus als er die Misere auf eine einfache Formel brachte: „Wenn die Banken noch lange Zweifel haben, brauchen sie nichts mehr zu entscheiden. Dann geht der Konzern in Konkurs.“ Mehr als 3.000 Vulkanesen demonstrierten in der Seestadt für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Bundesweit gingen nach Angaben der IG-Metall insgesamt 19.000 Vulkanesen auf die Straße.
In Bremen hielten es die WerftarbeiterInnen eine knappe Stunde in der Eiseskälte aus. Dann gingen sie an zurück an die Arbeit. „Es fehlt an allen Ecken und Enden an Material“, verrieten einige ArbeiterInnen am Rande der Demonstration. „Die Motivation ist im Keller. Man weiß ja nicht, was kommt“, sagte ein Maschinenbauer resigniert. „Vielleicht ist das Werfttor am Montag schon dicht, wenn nichts passiert“. kes
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