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Viel Rauch aus nichts

■ MVA Stellinger Moor: Abgasreinigungsanlage reduziert Dioxin-Ausstoß um 99 Prozent Von Heike Haarhoff

„Alles nur heiße Luft“, freut sich Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) und meint tatsächlich, daß es sich bei der aufsteigenden Abluft aus dem Schornstein der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stellinger Moor nur um viel Rauch „aus nichts“ handelt: Die neue Abgasnachreinigungsanlage, die dort gestern in Betrieb genommen wurde, reduziert den Ausstoß von Dioxinen und Furanen, die bei der Müllverbrennung entstehen, „auf kaum meßbare Mengen.“ Höchstens 0,2 Gramm jährlich der als „Seveso-Gifte“ bekanntgewordenen krebserregenden Substanzen sollen künftig dem Schlot der MVA entweichen; das sind 99 Prozent weniger als bisher.

Nach vierjähriger Planungs- und Bauzeit und Investitionen in Höhe von 100 Millionen Mark unterschreitet die nachgebesserte Anlage sogar die von der 17. Bundesimmissionsschutz-Verordnung festgesetzten strengen Schadstoffwerte. Und so funktioniert die Abgasreinigung: Ein Elektrofilter befreit das Abgas zunächst vom Staub. Danach wird es einer dreistufigen Naßwäsche unterzogen, wobei Schwefel und Chlor abgeschieden werden.

Neu an der Anlage ist ein zweistufiger Aktivkoksreaktor, der Schwermetalle, Dioxine und Furane bindet. „Bei der anschließenden Verbrennung des Koks in einer speziellen Anlage werden die Dioxine und Furane zerstört“, erklärt Rüdiger Siechau, Geschäftsführer der Stadtreinigung Hamburg, die die MVA betreibt. Nach dem Austritt aus dem Koksreaktor werden die Abgase erneut erwärmt und durch einen Katalysator geleitet, der die vorhandenen Stickoxide in Stickstoff und Wasserdampf umwandelt.

Bleiben noch die Schwermetalle: Sie sind unzerstörbar und werden deswegen nach einer Abwasseraufbereitung in Gips gebunden und als Sonderabfall deponiert. Die verbleibende Abwasser-Lösung wird „in zwei Salz-Kristallisatoren eingedampft“, erklärt Siechau einen weiteren Fortschritt der Anlage. Was sich kompliziert anhört, ist nichts anderes als die Gewinnung von Kochsalz. „Ist aber leider nichts für's Frühstücksei“, bremst Stadtreinigungs-Sprecher Gerd Rohweder allzu große Hoffnungen auf alternatives Speisesalz. Das Salz werde ausschließlich in der chemischen Industrie verwertet, weil es, wenn es aus der MVA kommt, weder „rieselfreudig“ noch als Salz für die Suppe behandelt sei.

NaturschützerInnen bezeichneten gestern die neue Anlage, die sie seit mehr als 20 Jahren gefordert haben, als „vernünftig.“ Sie entspreche dem Stand der Technik und sei „an sich“ zu begrüßen. „Allerdings wird mit der Förderung von Müllverbrennungsanlagen keine Chance für eine alternative Müllpolitik gelassen“, kristisierte Michael Petereit vom BUND. Katalytische Reinigung wie in Stellingen forderte die GAL-Abgeordnete Antje Möller auch für die MVA Borsigstraße: „In Bezug auf Rauchgasnachreinigung sind die übrigen Hamburger MVAs Sparvarianten.“

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