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Viel Hanf und wenig Haschisch

■ Sozialdemokratische Initiative gegen das Anbauverbot Von Jürgen Oetting

Wer sich in den nächsten Spätsommern auf den Feldern des Hamburger Umlandes berauschen möchte, wird lange lutschen müssen. Legaler Hanfanbau ist in Sicht, doch die Politiker wollen nur die Zucht solcher Pflanzen erlauben, die weniger als 0,3 Prozent Kiffstoffgehalt (THC) haben. Der Hanf, aus dem das Haschisch ist, hat 15 bis 17 Prozent.

Eigentlich wollten die schleswig-holsteinischen Grünen die Idee für den Hanfanbau unter die Leute bringen, doch die SPD war schneller. Deren Landtagsfraktion will eine Bundesratsinitiative starten, damit das 1982 ergangene Anbauverbot per Änderung des Betäubungsmittelgesetzes zurückgenommen wird. Die Initiative hat gute Erfolgsaussichten, denn selbst der CSU-Bundeslandwirtschaftsminister findet die Sache in Ordnung.

Der agrarpolitische Sprecher der Kieler SPD-Landtagsfraktion, Manfred Sickmann, jubelte die Initiative zum Öko-Fortschritt hoch. Der Hanfanbau könne ein viertes Standbein beim Anbau nachwachsender Rohstoffe werden – neben der Holzwirtschaft, dem Raps- und dem Flachsanbau. Aus Hanf lassen sich vorzüglich Textilien und Pflanzenöl herstellen. Hanf ist ein guter Grundstoff für Papier und außerdem eine Heilpflanze. Somit sei die sozialdemokratische Hanfanbauwiederzulassungsaktion ein Beitrag zum ökologischen Umbau Schleswig-Holsteins.

Die Nord-Grünen, die sich mit der Hanfinitiative eigentlich selbst schmücken wollten, werfen der SPD nun Effekthascherei vor. Ihre agrarpolitische Sprecherin, Marie Nennecke, erklärte in seltener Selbsterkenntnis: „Aus diesem Thema ist billig Kapital zu schlagen.“ Die Zeichen in Europa stünden ohnehin auf Legalisierung. Es könne in Deutschland nicht jemand für etwas ins Gefängnis kommen, was in Holland, Großbritannien und anderswo ab August mit 1500 Mark pro Hektar subventioniert wird.

Sozusagen per nachklappender Verlautbarungspolitik präsentierten die Grünen dann doch noch einen eigenen Gedanken zum Thema. Der niedrige THC-Gehalt des anzubauenden Hanfs sei nur unter unwirtschaftlichem Aufwand zu kontrollieren. Also: „Die politische Weichenstellung in Richtung Legalisierung weicher Drogen wäre daher nur konsequent.“ Liberale Suchtexperten erheben diese Forderung seit Jahren – aber noch nie mit einer derartig verschroben-kausalen Begründung.

Völlig unverschroben wies ein Sprecher des Bauernverbandes auf den „Widerspruch zwischen Euphorie und Fakten“ hin. Hanf sei landwirtschaftlich lediglich ein „Nischenprodukt“ und von keinerlei wirtschaftlicher Relevanz.

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