: Verzweifeln ist von Übel
■ Aufstiegsrunde zur zwooten Liga: FC Berlin — VfL Wolfsburg 0:2
Prenzelberg. „Berlin braucht neben Hertha noch einen zweiten Zweitligisten“, sprach der Regierende Diepgen, und da mußten ihm auch die Fans des FC Berlin recht geben. Nur mit dem weiteren Verlauf des Statements war man nicht immer einverstanden: „Ich wünsche Union viel Glück!“ verlautbarte es da, zusammen mit der Ankündigung, den Erzrivalen beim Spielen zu beobachten. „Wenigstens nimmt er hier keinen Platz weg“, trösteten sich die Prenzelberger, denn zum ersten Mal war die Kulisse atemberaubend: 2.500 wollten den FC siegen sehen.
Die Berliner begannen ebenso nervös wie der Gast aus Wolfsburg; schon nach zehn Minuten gab es die erste gelbe Karte gegen den Norddeutschen Evers, und die Berliner Zuschauer atmeten auf, hatte man doch befürchtet, in dieser Relegationsrunde ebenso verpfiffen zu werden wie in der vergangenen. Trotzdem war man mit der Bestrafung nicht so richtig einverstanden: „Von wegen Gelb, Schiri, knall ihm doch einfach eine.“
Die Konfusion auf dem Spielfeld hielt an. Die Berliner trafen aus allen möglichen Positionen das Tor nicht, dafür wurde ihre bisher so stabile Abwehr immer löchriger. Den Wolfsburgern half das allerdings nicht weiter, denn auch sie dilettierten grauselig in des Gegners Strafraum herum. In der Pause vertraute man darauf, daß die Berliner bestimmt „jetzt gleich“ aufwachen würden.
Aber es kam natürlich ganz anders. In der 63. Minute verwandelte Geiger eine Kopfballvorlage von Frank Plagge zum 0:1. „Das war ein völlig klares Abseitstor“, schwor nach dem Spiel jeder. Und als einige Minuten später ein ganz eindeutiger Handelfmeter-Pfiff für den FCB unterblieb, da wollte mancher Ostberliner seine Mauer wiederhaben.
Ganz Unentwegte hofften zwar noch auf den Ausgleich plus Siegtreffer, aber in der 89. Minute erzielte Sigi Reich nach einem Alleingang über den halben Platz das 0:2. Die enttäuschten Fans brauchten aber nicht lange, um zu völlig neuen Gesichtspunkten zu gelangen: „Muß man so sehen: Letztes Jahr haben wir das erste Relegationsspiel gewonnen und sind nicht aufgestiegen, jetzt haben wir das erste verloren und steigen auf.“
VFL-Trainer Erkenbrecher war sehr zufrieden, während der Berliner Trainer Bogs seine Enttäuschung kaum verbergen konnte. Während seine Jungs noch fassungslos in der Kabine saßen, erklärte er, sie hätten „wohl nicht begriffen, daß es auch um ihre Existenz“ ginge. Trotz der Unerfahrenheit seiner jungen Mannschaft hatte er wohl einiges mehr erwartet. „Jetzt müssen wir in Zwickau auf jeden Fall gewinnen.“ So wie das Leben ist, träumt man von Rache (Gaugin).
Und auch die Fans begannen wieder ihre Lieblingssportart, das spekulative Kopfrechnen: „Eigentlich ist einmal verlieren zweimal unentschieden gespielt, wenn wir in Zwickau gewinnen“, erkannte man, und falls es nicht klappen sollte mit dem Aufstieg, setzte man sich neue Ziele. „Das mit der Relegation machen wir ab jetzt jedes Jahr.“ Und doch ist Verzweifeln von Übel (George Sand). Elke Wittich
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