: Verwundbar wie eh und je
Angela Guerreiro ist angekommen: Project Z, letzter Teil ihrer Kampnagel-Trilogie, widmet sich dem Tod ■ Von Marga Wolf
Ein Leben mit der ständigen Gewissheit im Nacken, früher oder später ins Gras beißen zu müssen, macht manchmal wenig Sinn. Ein ständiger Wettlauf gegen die Zeit. Vielleicht hält der technologische Fortschritt ja irgendwann ein Schlupfloch bereit, mit Aussicht auf ein Stückchen Ewigkeit.
Gedanken, die jede Menge Fragen aufwerfen. Die Hamburger Choreographin Angela Guerreiro will mit ihren fünf Tänzerinnen und Tänzern ein Netz aus Hoffnungen, Ideen, Ängsten und Sehnsüchten spannen, versucht so dem Sinn unseres Strebens auf die Spur zu kommen. „Träumen wir wirklich von der Unsterblichkeit?“, fragt sie.
Project Z, ihr neues Tanzstück, das jetzt auf Kampnagel Premiere hat, beschäftigt sich mit dem Tod. Unsterblichkeit liegt für Guerreiro da jenseits des Vorstellbaren. „Es ist ein ständiger Kreislauf von Werden und Vergehen. Wenn der plötzlich innehalten würde“, meint sie, „dann würden sich alle Fragen, nicht allein nach dem Tod, sondern auch nach dem Leben, erübrigen.“ Ihre Tänzer habe sie dazu angehalten, stets vom Hier und Heute auszugehen, erklärt sie, und sich nicht an Science Fiction zu orientieren. „Menschen sind verwundbar wie eh und je. Sie werden verletzt, und sie sterben“, sagt sie. Ihre Tänzer, erzählt sie, hätten sich dem Thema sehr individuell genähert: Ausgehend von den Visionen technologischer Szenarien, habe man sich schnell konkreten menschlichen Empfindungen zugewandt.
Ihrer Arbeitsweise ist die 36-jährige gebürtige Portugiesin in Project Z treu geblieben. Wie in ihren vorangegangenen Performances, Project X und Project Y, geht sie auch hier den Weg einer tiefgründigen Recherche, die an die individuelle, künstlerische und kulturelle Geschichte der Tänzer anknüpft. Project Z bildet den Abschluss einer Project XYZ genannten Trilogie, in der die Choreographin vor dem Hintergrund einer kritischen Reflexion moderner Wissenschaft und Technik nach der Zukunft des Menschen fragt. Doch die Schwerpunkte waren je verschieden: Project X setzte sich mit Gefühlen auseinander. In Project Y war Perfektion das Thema. In Project Z der Tod. Doch abgesehen von dieser Schwerpunktverschiebung gehören auch wechselnde Besetzungen zum Konzept. Zudem wurde jedes Projekt in einer anderen Kampnagel-Halle realisiert. Und irgendwann möchte Guerreiro einmal die gesamte Trilogie hintereinander spielen.
Doch zurück zu Project Z und der Auseinandersetzung mit dem Tod, die angesichts kultureller und religiöser Prägung jedes Einzelnen allzu individuell gar nicht sein kann. „Sicher, aus religiösen Motiven werden Kriege angezettelt, bringen Menschen sich gegenseitig um. Wir haben uns aber davor gescheut, zu politisch zu werden“, sagt Guerreiro.
Ein Blick in die Probe lässt erkennen, wie die Choreographin hier wieder mit poetischen Bildern deutliche Assoziationen hervorzurufen vermag. Ein Turm aus Ytong-Steinen ragt zum Beispiel in einer der abgeteilten Bühnenhälften in Richtung Decke. Der italienische Tänzer Davide Camplani hält ihn fest umschlungen. Daneben proben Einat Tuchmann und Nir de Volff, beide aus Israel, eine Sequenz. Die Brasilianerin Cristina Moura liegt auf einem Steinhaufen. Portugiesisch wird in der einen Ecke gesprochen, hebräisch in der anderen. Doch letztlich ist es die Sprache der Körper, die verbindet. Spielt Guerreiro hier auf den Turmbau zu Babel an? „Für manch einen mag das zutreffen“, räumt sie ein.
Ihre eigene katholische Erziehung habe ihr zwar nie eine befriedigende Antwort auf ihre Fragen gegeben. Doch sie glaubt, dass die Auseinandersetzung in diesem Stück auch Ausdruck ihrer Suche nach Spiritualität ist. Mehr Gelassenheit im Alltag verspricht sie sich davon. „Immer dieser Stress – früh aufstehen, meinen Sohn in den Kindergarten bringen, nach Barmbek fahren. Erst wenn ich den Proberaum betrete, habe ich das Gefühl, bei mir angekommen zu sein.“
Ist es dieses Ankommen, das sie sich auch für ihr Publikum wünscht? Da strahlt sie und sagt: „Das wäre doch wunderbar.“ Sie wolle den Zuschauer direkt ins Herz treffen. Jo Stone, Tänzerin mit Stimmqualitäten, wird am Anfang in einem eigens komponierten Lied dem unendlichen Sternenhimmel huldigen. „Man mag es als Kitsch empfinden“, meint Guerreiro. „Aber das ist mir egal. Ich stehe dazu.“
Donnerstag, 7.3., bis Sonntag, 10.3. sowie Donnerstag, 14.3. bis Sonntag, 17. 3., 20.30 Uhr, Kampnagel k6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen